Waldmeisters Naturkolumne 9: Kraniche, Mitwelt und ein Eichhörnchen namens Mohammed

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Ende Oktober/Anfang November, der Sommer geht zu Ende, der Bilderbuchherbst zeigt sich nochmal von seiner schönsten Seite. Ich genieße die letzten warmen Sonnenstrahlen auf unserer wunderbaren Gartenterrasse. Riesige Kranichschwärme am Himmel über Aachen, auf dem Weg aus ihren Sommerquartieren im Norden und Osten in ihre Winterheimat Spanien oder Nordafrika. Jedes Jahr wieder dieses unglaubliche Naturschauspiel. Immer ist es so, dass man zuerst das Trompeten dieser eindrucksvollen Vögel hört, dann geht der Blick Richtung Himmel. Und dort dann die typische Flugformation, manchmal dutzende, manchmal hunderte, selten auch tausend Tiere. Ich bin jedes Mal fasziniert, neudeutsch könnte ich auch „geflasht“ sagen.
Der Kranichzug, was macht der mit mir? An einem Tag, der mit einer solchen Beobachtung beginnt, kann mir eigentlich nichts mehr passieren, der Tag ist auf jeden Fall ein guter Tag.
So ähnlich geht es mir, wenn ich am Iterbach oder an der Göhl den Eisvogel sehe. Oder wenn ich im Frühling den ersten Quark mit selbstgepflücktem Bärlauch genieße. Oder im Herbst, wenn es wieder mein Lieblingsgericht, frische Steinpilze mit Semmelknödeln, gibt. Die Reihe ließe sich immer weiter fortsetzen. Es gibt so viele Situationen, wo ich mich der Natur sehr nahe fühle.
Unbestritten hat die Welt, haben wir Menschen aktuell einen ganzen Berg von Problemen. Was war da noch alles, Gesundheitskrise, Energiekrise, Ernährungskrise, Klimakatastrophe? Muss ich gar nicht alles aufzählen, aber speziell wenn ich an meine Enkelkinder denke, mache ich mir ehrlich gesagt ganz schön viele Sorgen. Mir wird immer bewusster, dass viele der aktuellen Probleme und Krisen damit zu tun haben, dass wir Menschen uns immer weiter von der Natur, von unserer Mitwelt entfernt haben. Allerhöchste Zeit, das zu ändern.
Ich habe einen tollen Beruf, bin fast jeden Tag in der Natur unterwegs, helfe mit, den verloren gegangenen Kontakt zur Natur wiederzubeleben, wiederherzustellen. Das klappt bei Kindern genauso gut wie bei Erwachsenen.
Wir müssen wieder lernen, uns Zeit zu nehmen, genau hinzuschauen, zu hören, mit allen Sinnen unsere Mitwelt zu erkunden. Ob wir das nun „Waldbaden“ nennen oder wie auch immer, das ist nicht so wichtig. Hier geht es nicht darum, in einen See zu springen und zu baden. Sondern gemeint ist vielmehr das pure Eintauchen in die Natur. Pur ohne Treckingausrüstung und ohne festes Ziel: einfach mal einem Rotkehlchen oder einem Waldkauz lauschen, die Erde und Blätter riechen oder den Stamm einer Kiefer, Buche oder Eiche erfühlen.
Im Wald kann ich, können wir wirklich „runterkommen“, in der Natur hören die Gedanken auf zu kreisen. Oft habe ich das Gefühl, der Wind weht mir durch den Kopf und macht mich frei. Nach einem Waldtag sind die Akkus wieder aufgeladen, ich habe wieder Energie für Neues.
Bewusst frische Luft einatmen, wahrnehmen, sich die Zeit nehmen, die man oft nicht zu haben glaubt. Neugierig sein, sich auf Neues einlassen. Neue Wege gehen. Manche Routen, manche Wege gehe ich sehr häufig, immer im Uhrzeigersinn, ich meine jeden Baum und jeden Stein zu kennen. Dann gehe ich denselben Weg eines Tages gegen den Uhrzeigersinn. Und ich denke, „hier war ich ja noch nie …“.
Ich erinnere mich an die häufige Situation, dass ich etwas Besonderes sehe, erspähe, vielleicht ein Reh oder einen Hasen. Das möchte ich natürlich auch der Kindergruppe, der Schulklasse zeigen. Und oft habe ich mich dann geärgert, dass die Kinder das betreffende Tier überhaupt nicht sehen. Bis ich mal auf die Idee kam, in die Knie zu gehen und damit etwa die Perspektive der Kinder einzunehmen. Eine völlig andere Welt tut sich auf, die Kinder konnten meine Beobachtung gar nicht machen, sie haben ihre Augen knapp einen Meter tiefer.
Warum erzähle ich das alles? Die aktuell schwierigen Zeiten bieten uns Menschen auch eine Menge Chancen. Was ist eigentlich wirklich wichtig, was sind unsere wahren Bedürfnisse? Wir können so viel von der Natur lernen. Lasst uns genau hinschauen, die wahren Wunder liegen direkt vor unserer Haustür, im Aachener Wald und anderswo in der Natur.
Oktober, da war ich mit vielen großen und kleinen Menschen zum Thema Pilze unterwegs. Spazieren gehen im Wald, das tun wir mehr oder weniger oft, aber wenn wir mit einem bestimmten Thema unterwegs sind, dann ändert sich plötzlich der Blick. Und oft kommt es bei diesen Führungen vor, dass wir für eine Strecke von vielleicht fünfhundert Metern fast eine Stunde brauchen. Speziell Kinder, die mit ihren Augen viel näher am Boden sind, entdecken ständig neue Wunderwesen am Waldboden, viele davon hätten wir Erwachsene niemals gefunden. Eine völlig neue Welt tut sich auf, sie ist immer da, hier bei uns, aber heute nehmen wir sie vielleicht zum ersten Mal wahr.

Ganz zum Schluss. Immer wenn ich in den Wald gehe, mit welcher Gruppe auch immer, dann ist mein (Plüsch-)Eichhörnchen dabei. Früher war es Petrusch, bis der vor zwei Jahren plötzlich verschwunden war. Vergessen, verloren, entführt, aus Versehen eingesteckt, das ist bis heute nicht geklärt, nach 18 Jahren in meiner Westentasche bleibt dieses Eichhörnchen verschwunden.
Seit diesem schmerzlichen Verlust habe ich diverse Eichhörnchen geschenkt bekommen. Und eins davon ist nun seit zwei Jahren immer dabei. Es hat keinen festen Namen. Immer die erste Gruppe in einer neuen Woche, also fast immer die Montagmorgen-Gruppe darf einen Namen suchen, der dann für genau eine Woche bleibt. Fritz, Elvira, Joe, Eichi, alles schon da gewesen.
Vor kurzem war ich mit einer Kita aus einem sehr bunten Aachener Viertel unterwegs. Und da ging die Namensuche ganz schnell. Das Eichhörnchen hieß eine Woche lang Mohammed. Ganz egal wie es heißt, das Eichhörnchen und sein (Plüsch-)Freund, die Fledermaus Flederik, helfen mir dabei, kleinen und großen Menschen die Natur und ihre vielen Wunder zu zeigen und unmittelbar erlebbar zu machen.
In diesem Sinne, ich wünsche einen erfreulichen Jahresausklang und viele spannende Erlebnisse und Begegnungen in der nahen und fernen Natur.

Das Eichhörnchen, das eine Woche lang Mohammed hieß

Der Waldmeister Michael Zobel

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