Nachhaltigkeit: Bücherschränke

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Recycling, Upcycling, Gebrauchtes wiederverwenden anstatt immer Neues anzuschaffen und eigentlich noch brauchbare Dinge zu entsorgen – dies entspricht gefühlt mehr denn je dem aktuellen Zeitgeist. Umweltbewusstsein ist in und immer mehr Menschen versuchen auch in ihrem Alltag nachhaltiger zu leben.

Ein Beispiel dafür sind die seit Anfang der 90er Jahren aufkommenden „öffentlichen Bücherschränke“.
Michael Clegg und Martin Guttmann, zwei Künstler kamen als Erstes auf die Idee Bücher im öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen. Unter dem Projektnamen „Die offene Bibliothek“ installierten sie unter anderem in Graz und Augsburg freizugängliche Bücherschränke.

Aus diesen Schränken kann jeder der möchte Bücher herausnehmen und diese nach Belieben behalten oder nach dem Lesen wieder reinstellen und/oder eigene Bücher mitbringen.
Dieses System basiert auf dem Solidaritätsprinzip, da es nur funktioniert, wenn auch etwas hineingestellt wird und nicht nur alle etwas entnehmen. Doch es klappt überraschend gut und es gibt auch Leute die Bücher hineinstellen ohne dafür etwas mitzunehmen.
So entgehen viele Schriftwerke dem Verstauben und in-Vergessenheit-geraten auf dem heimischen Regal und haben die Chance an dankbare Leser zu geraten.

Mit Hilfe des Entwurfs der Designerin Trixy Royeck, der 2002 beim Wettbewerb der Bürgerstiftung Bonn prämiert wurde, gewann die Idee weiter an Popularität und fand seitdem zunehmend Nachahmer.
Deutschlandweit gibt es mittlerweile eine große Zahl der wetterfesten Bücherboxen.
Diese Schränke sind zumeist in etwa so groß wie ein amerikanischer Kühlschrank und haben sogar extra ein Kinderfach.
Gewartet und in Stand gehalten werden sie in der Regel von sogenannten Bücherpaten, die sich ehrenamtlich um die Vitrinen kümmern. In Jülich gibt es sogar einen ganzen Verein „Offener Buchschrank EV“, der Bücherschränke betreut und neue aufstellt.

In der Städteregion und der Umgebung gibt es um die 20 dieser öffentlichen Bücherschränke, Tendenz steigend.
Innerhalb von Aachen findet man sie zum Beispiel auf der Pontstraße, vor der katholischen Hochschulgemeinde, an der Kreuzung Passstraße/Lombardenstraße/Grüner Weg, auf dem Burtscheider Markt oder auf der Heinrich-Hollands-Straße, vor TABITAS. Doch nicht nur in größeren Orten wie Aachen, auch in kleineren Gemeinden, wie Langerwehe, Hürtgenwald oder Roetgen findet man solche Installationen, was unter anderem durch Förderer wie RWE Deutschland ermöglicht wird.

Das Unternehmen arbeitet mit dem Projekt „BOKX“ zusammen, das öffentliche Bücherschränke als Kunstobjekt gestaltet und so zur „Gebrauchskunst“ macht.  Ziel ist es, dass auch in kleineren Städten im Netzgebiet des Unternehmens das Kulturleben bereichert wird.

Und die Resonanz auf die Schränke ist vorwiegend positiv. Passanten freuen sich über die Möglichkeit spontan etwas zum schmökern zu finden und vor allem die überraschende Bücherauswahl freut die Nutzer. „Man findet manchmal Bücher die man schon Jahrelang lesen möchte.“, freut sich ein älterer Herr der den Buchschrank in Burtscheid durchstöbert. „Hier in Aachen gibt es ja sonst noch die Mayersche, aber wenn man sich überraschen lassen möchte ist das eine gute Alternative. Eine tolle Idee!“

Book-Crossing

Ein weiterer Trend um alte Bücher loszuwerden und andere Menschen damit zu überraschen ist das „Freilassen“ von Büchern, genannt Book Crossing.
Diese Idee, die 2001 von Ron Hornbaker in den USA begründet wurde ist mittlerweile ein weltweites Phänomen mit schätzungsweise 1,5 Millionen Teilnehmern.
Beim Book Crossing wird das Buch zunächst auf einer eigens dafür eingerichteten Website registriert und bekommt eine Identitätsnummer zugeordnet. Zusätzlich erhält das Buch eine eigene Seite, auf der alle Leser Kommentare zu dem Buch schreiben können. Der Besitzer muss das Buch dann mit der BICD (BookCrossing-Identitätsnummer) versehen und kann es anschließend irgendwo in der Öffentlichkeit liegen lassen (am besten wettergeschützt!).
Man kann den „Release“ auch auf der Website eintragen, so dass sich andere BookCrosser gezielt auf die Suche nach dem Buch machen können. Derjenige der das Buch findet kann über die Nummer den Eintrag auf der Website finden, verzeichnen wo er es gefunden hat und seine Meinung zu dem Werk formulieren. So kann der ursprünglichen Besitzer nachvollziehen wie sein freigelassenes Buch wandert. Manchmal verschwinden die Schmöker aber auch jahrelang und tauchen erst irgendwann wieder als Eintrag auf der Homepage auf, während andere für immer verschollen bleiben. Dies ist mit Sicherheit die abenteuerlichste Variante Bücher zu recyclen und bringt frischen Wind in das Image des konservativen Zu-hause-hockenden-Leser! Allerdings kann man bei dieser Vorgehensweise natürlich nicht planen ein bestimmtes Buch zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bekommen.

Gerade deswegen sind Konzepte wie die Offenen Buchschränke und das Book Crossing natürlich keine Konkurrenz für klassische Buchhandlungen. Möchte man ein Buch als Geschenk, ein aktuelles oder einfach nur ein bestimmtest Buch haben, ist der Gang in eine normale Buchhandlung immer noch unerlässlich. Das Book Crossing eignet sich ja nicht um Bücher „geplant“ zu bekommen, da man nicht wissen kann wer welches Buch als nächstes freilässt. Auch die öffentlichen Bücherregale sind für die gezielte Anschaffung aktueller Bücher eher ungeeignet. Denn, wie Buchhändler Röpling aus Burtscheid feststellt, ist fast alles der in den öffentlichen Regalen älteren Datums. Für ihn stellt sich auch die Frage ob das Projekt wirklich funktionieren kann, oder ob es Leute gibt, die die neueren Bücher raussuchen um diese dann auf dem Trödelmarkt weiter verkaufen. Kunden die ihn fragen, was sie mit ihren alten Büchern tun können empfiehlt er daher eher die Bücher nach Gut Hebscheid zu geben. Diese integrative Einrichtung arbeitet mit behinderten Menschen zusammen und veranstaltet regelmäßig Bücherflohmärkte, wie demnächst am 5. Oktober wieder, durch deren Einnahmen soziale Projekte finanziert werden. Gibt man die Bücher dorthin weiß man sicher was mit ihnen passiert und auch, dass derjenige der sie kauft sie wirklich haben will. Walter Röpling gibt zu bedenken, dass viele Menschen die Bücher aus dem offenen Buchschrank mitnehmen ohne sie wirklich wertzuschätzen, einfach weil sie umsonst verfügbar sind. Muss man sie bezahlen, auch wenn es nur ein kleiner Betrag ist, haben sie eine andere Wertstellung, findet der Buchhändler.

Fest steht: Das alternative System der öffentlichen Buchschränke haucht gebrauchten Büchern neues Leben ein und der öffentliche Raum wird durch die Regale in jedem Fall wohnlicher. Es sieht schon sehr einladend aus wenn man, wie in Burtscheid den öffentlichen Bücherschrank in der Sonne stehen sieht, mit einem Blumenbeet daneben und einer Parkbank, die zum verweilen einlädt. Natürlich wird es unter den Konsumenten dieses Angebotes auch ein paar schwarze Schafe geben, die sich bereichern wollen, aber so voll wie die meisten Vitrinen sind scheinen die positiven Nutzer zu überwiegen. Und obwohl es fast ausschließlich ältere Werke sind, finden sich darunter auch Klassiker wie Pipi Langstrumpf, die nach wie vor aktuell sind und gerne gelesen werden.
Innovative Methoden wie die öffentlichen Buchschränke oder das Book Crossing bringen auf jeden Fall etwas Abenteuer in den Alltag, sorgen so für spannende Geschichten und bieten eine interessante Ergänzung zum frischen Literaturkonsum aus der Buchhandlung oder dem Internet.

Text & Fotos: Lisa Proft

Weitere Informationen und Adressen der Öffentlichen Bücherschränke / des BookCrossing / des Bücherflohmarktes Gut Hebscheid gibt es unter:

http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_öffentlicher_Bücherschränke#Nordrhein-Westfalen
http://blog.openbokx.de/
http://www.bookcrossers.de/
http://www.via-aachen.de/

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