Herbstferienfahrtreport: „Grenzerfahrungen 2015“

in Aktuelles um die Ecke

Als ich kurz vor den Herbstferien im evangelischen Gemeindebrief das Angebot entdeckte, fünf Tage in der ersten Woche der Herbstferien mit jungen Flüchtlingen und Jugendlichen aus der Region im Jugendhaus der Evangelischen Kirche in Monschau zu verbringen und mich kurzerhand zusammen mit einer guten Freundin für die Fahrt anmeldete, wusste ich noch nicht, wie besonders diese Erfahrung werden würde. Für diese Zeit hatte ich noch nichts geplant, und als ich das Angebot entdeckte, war ich sofort interessiert. Ich sah darin die Chance, endlich mehr Bezug zu den Flüchtlingen in Deutschland zu bekommen, weil das ein sehr aktuelles Thema ist, und eine Gelegenheit, neue Kulturen und Gewohnheiten kennenzulernen.

Täglich erreichen uns derzeit neue Meldungen über die aktuelle Flüchtlingssituation auf der ganzen Welt, aber auch explizit in Deutschland. Schließlich kommen hier besonders viele Flüchtlinge an – in diesem Jahr werden bis zu 1,5 Millionen erwartet. In Aachen leben derzeit 3.300 Flüchtlinge (Stand 10.11.2015). Es gibt sehr viele herzliche Menschen, die dazu beitragen, dass sich die Flüchtlinge hier willkommen fühlen, sei es durch Spenden oder (ehrenamtliche) Tätigkeiten wie Deutschkurse oder Betreuung. Aber auf der anderen Seite gibt es auch immer noch viele Menschen, die Hass und Gerüchte über Flüchtlinge verbreiten. Und deshalb wollte ich mir endlich ein eigenes Bild machen, wollte einige Flüchtlinge persönlich kennenlernen und aktiv dazu beitragen, dass es ihnen in ihrer Situation etwas besser geht.

Tag 1

Als wir am Montag gegen 15 Uhr in Monschau ankamen, wurden uns zuerst die Zimmer zugeteilt, die wir dann ein bisschen einrichten konnten. Im Aufenthaltsraum begrüßte uns im Anschluss Axel Büker, der Jugendreferent im Kirchenkreis Aachen, und stellt uns die Regeln und groben Tagesabläufe für die nächsten Tage vor. Von uns Teilnehmenden waren 19 Flüchtlinge, darunter vier Mädchen. Die deutschen Teilnehmenden waren alle Mädchen.
Wir lernten dann die anderen vier Betreuer/-innen kennen, die alle noch ziemlich jung und sehr nett und locker waren.
Natürlich war es erst mal total aufregend für meine Freundin und mich, weil wir außer uns niemanden richtig kannten und nicht wussten, wie wir jemanden ansprechen sollten. Wir wussten ja zum Beispiel nicht, wie gut uns die Flüchtlinge verstehen konnten. Ein paar fingen aber ganz von sich aus ein Gespräch an und fragten uns zum Beispiel, warum wir uns entschieden hatten mitzufahren oder wo wir zur Schule gehen. Die meisten wirkten auf uns sofort freundlich und zuvorkommend.
Bei der ersten gemeinsamen Aktivität ging es um unsere Vornamen. Wir hatten eine Stunde Zeit, um die Herkunft und Bedeutung unseres Namens herauszufinden und aufzuschreiben.
Nach dem ersten gemeinsamen Abendessen musste jeder das vorstellen, was er über seinen Namen herausgefunden hatte. Man merkte sofort, dass hier sehr viele unterschiedliche Nationalitäten aufeinandertrafen. Einige kamen aus Afghanistan, dem Iran oder Eritrea. Aber es waren noch ein paar weitere Nationalitäten vertreten.
Auch war zu erkennen, dass es einigen schwerfiel und unangenehm war, Deutsch zu sprechen.
Uns wurde erklärt, dass es jeden Abend um 22 Uhr eine Art Andacht geben sollte. Dafür wurde ein Raum extra zum Andachts- und Gebetsraum umfunktioniert, was ich als eine schöne Idee empfand. An diesem Tag war das Thema der Andacht Hoffnung und das „Licht“, das uns antreibt. Das Gesagte hat mich auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt.
Als wir abends ins Bett fielen, waren wir schon ganz gespannt auf die nächsten Tage.

Tag 2:

Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Tag, sind wir alle nach draußen gegangen und haben dort Kennenlernspiele gemacht. Anfangs war es wirklich schwer, die vielen Namen zu lernen. Nur wenige blieben sofort hängen.

Bei einem Stadtspaziergang durch Monschau lernten wir uns noch etwas besser kennen. Später konnten wir uns in Workshops eintragen – angeboten wurden Fotografieren, Collagen und Upcycling sowie ein Sprachkurs. Meine Freundin und ich entschieden uns fürs Fotografieren.
Im Laufe des Tages war es schön zu sehen, dass die meisten schon jetzt viel offener wurden und sich gerne mit uns unterhielten. Wenn wir nachfragten, was an Deutschland als unangenehm empfunden wird, wurde oft die Ernsthaftigkeit der Menschen und Gruppenzwänge genannt, was mich wieder zum Nachdenken gebracht hat.
Abends haben wir noch alle zusammen einen Film geguckt. Die Andacht musste deshalb an diesem Tag ausfallen.

Tag 3:

Auch am nächsten Tag machten wir draußen zusammen Aktivitäten wie Vertrauensspiele. Danach gingen die Workshops weiter, die den meisten sehr viel Spaß machten. Nach dem Mittagssnack sind wir zusammen schwimmen gegangen.

Die gute Stimmung wandelte sich beim Abendessen in Anspannung um – ein christliches Mädchen aus Eritrea machte vor dem Essen ein Kreuzzeichen, woraufhin sich ein muslimischer Junge wegsetzte. Als dann zwei Jungen jeweils für einen der beiden Partei ergriffen, kam es fast zur Eskalation, wenn nicht die Betreuer dazwischengegangen wären. Mit den Betroffenen wurde ein langes Gespräch geführt, aber die Anspannung war noch den ganzen Abend zu spüren. Es war schwierig, damit umzugehen. In manchen Situationen kannten die Flüchtlinge keine klaren Grenzen, das wurde durch den Streit deutlich. Dieser Tag war auf jeden Fall der ereignisreichste, da wir sehr viele Einblicke in die Gedanken und Gefühle der Flüchtlinge bekamen. Was mir aber auffiel, war, dass keiner der Flüchtlinge von sich aus über die Flucht und die Situation in seiner/ihrer Heimat sprach. Und da wir niemanden zu etwas drängen wollten und schlimme Erinnerungen hervorrufen wollten, fragten wir meist auch nicht genauer nach.

Tag 4:

Am Donnerstag gab es die letzten Arbeiten in den Workshops. Es wurden Plakate fertiggestellt, Fotos aussortiert und bearbeitet und wir machten auch noch einige Fotos als Erinnerung.
Für abends war etwas ganz Besonderes geplant worden: ein Überraschungskochen. In ausgelosten Gruppen sollte jeweils ein Gericht gekocht werden. Das Kochen klappte sehr gut, doch das Essen verlief etwas anders als erwartet. Viele waren das lange Warten auf den nächsten Gang und die kleinen Portionen nicht gewohnt und zeigten sich deshalb sogar etwas respektlos gegenüber den Gruppen, die gekocht hatten. Das war schade, denn eigentlich sollte es ein sehr festliches und fröhliches Essen werden.
Zum Glück lockerte sich die Stimmung bei einer kleinen „Party“ wieder auf, bei der uns ein paar der Flüchtlinge traditionelle Tanzschritte aus ihrer Heimat zeigten. Wir hatten viel Spaß und sind dann etwas später als an den anderen Tagen müde ins Bett gefallen.

Tag 5:

Und schon neigte sich die Woche dem Ende entgegen: Packen, Aufräumen und Putzen waren angesagt.
Danach stellten die Gruppen die in den Workshops entstandenen Plakate, Fotos usw. vor. Es war sehr interessant zu sehen, was man in drei Tagen alles schaffen kann und wie viele gute Ideen umgesetzt werden konnten.
Dann folgte der Abschied. Es wurden noch schnell letzte Nummern ausgetauscht, man umarmte sich und dann ging es zurück nach Hause. Für die meisten der Flüchtlinge hieß das: ins Flüchtlingsheim in Burtscheid.

Mein persönliches Fazit der 5 Tage:

Mir war schon nach den ersten beiden Tagen klar, dass es auf jeden Fall die richtige Entscheidung war, mich für die Fahrt anzumelden. Auch wenn es manchmal ein wenig schwierig war, sich zu verständigen, ist mir die Gruppe echt ans Herz gewachsen und ich glaube, dass man dabei sogar schon von Freundschaft sprechen kann. Auf jeden Fall wollen wir alle uns möglichst bald wiedersehen. Was mich wohl am meisten überrascht und zugleich total gefreut hat, war, dass die Jugendlichen, obwohl sie so viel Schreckliches erlebt haben, ihre Familie in ihrem Heimatland zurücklassen mussten und sich hier in eine völlig andere Kultur integrieren müssen, die Fahrt genießen konnten und Spaß hatten, sogar glücklich wirkten. Es war ein tolles Gefühl, das zu sehen. Ich will mich ab jetzt auf jeden Fall noch mehr mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigen, wie man sie noch mehr unterstützen kann und den Kontakt zu der Gruppe halten. Man kann die Erlebnisse dieser fünf Tage eigentlich gar nicht zusammenfassen oder beschreiben, weil man so viel Zwischenmenschliches mitbekommen hat. Vor allem habe ich gelernt, dass man manchmal einfach die Scheu gegenüber etwas Fremdem, Neuem loslassen sollte, um sich auch mal auf etwas ganz anderes einzulassen, als man gewohnt ist, weil man oft nur davon profitiert.

Info:
Die nächste „Grenzerfahrung“ findet voraussichtlich vom 10. bis 16. Oktober 2016 statt.
Mehr Informationen dazu, wie den Flüchtlingen in der Region um Aachen geholfen werden kann, findest du z. B. auf:
www.kirchenkreis-aachen.de/fluechtlinge/

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