Sprachprobleme bei Kindern

in Familienleben

Alle Eltern warten gespannt auf die ersten Worte ihrer Kinder und sind stolz, wenn das erste „Mama“ oder „Nein“ zu hören ist. Aber manche Kinder beginnen ohne ersichtlichen Grund viel später zu sprechen als andere, und die meisten Eltern werden ein bisschen nervös, wenn der eigene Sohn erst „Wawa“ sagt, das gleichaltrige Nachbarskind aber schon „Schau Mama, Pudel!“.
Der Spracherwerb von Kindern verläuft sehr individuell und die meisten Unterschiede sind nicht bedenklich. In manchen Fällen ist abwarten jedoch der falsche Weg: Wenn der Verdacht auf eine deutlich verzögerte Sprachentwicklung besteht, ist eine frühzeitige Diagnose wichtig, um die Kinder wirkungsvoll zu unterstützen.

Late Talker

Die meisten Kinder beginnen mit etwa einem Jahr, die ersten Worte zu sprechen, und haben bis zum zweiten Geburtstag einen Wortschatz von über hundert Wörtern, die sie zu Zwei- und Mehrwortsätzen kombinieren („Mama Ball werfen“). Es gibt aber auch Kinder, die mit 24 Monaten noch weniger als 50 Wörter beherrschen und keine Zweiwortsätze bilden können. Sie werden als sogenannte Late Talker (Späte Sprecher) bezeichnet.
Wenn der Spracherwerb eines Kindes in diesem Alter stockt, sollte dies sehr ernst genommen werden. Auf jeden Fall muss vom Kinderarzt geklärt werden, ob ein medizinischer Grund vorliegt, der die Sprachentwicklung beeinträchtigt. Wenn ein Kind zum Beispiel schlecht hört oder sieht, kann es seine Umgebung unter Umständen nicht gut genug wahrnehmen, um sie in Worte zu fassen.
Ungefähr 18 Prozent der Kinder eines Jahrgangs sind jedoch ohne einen ersichtlichen Grund Late Talker. Auch wenn etwa die Hälfte der Kinder diesen Rückstand bis zum Alter von drei Jahren aufholt, ist es wichtig, die weitere Entwicklung des Kindes genau zu beobachten. Denn für Eltern ist es oft schwierig, einen scheinbaren von einem wirklichen Fortschritt zu unterscheiden. Bestehen Zweifel, dass sich das Kind günstig entwickelt, kann der Kinderarzt auch bei Kindern im Alter von zwei Jahren schon eine logopädische Untersuchung verschreiben. Hat das Kind mit drei Jahren nicht zu seinen Altersgenossen aufgeschlossen, liegt eine spezifische Sprachentwicklungsstörung (SES) vor, die auf jeden Fall in die Hände eines Sprachtherapeuten gehört.
Nicht immer werden sprachliche Schwierigkeiten von Kindern jedoch so früh erkannt. Während offensichtliche Symptome in der Sprachproduktion wie Stottern, Lispeln oder das Fehlen bestimmter Laute meist schnell auffallen, sind Probleme beim Sprachverständnis im Alltag deutlich schwieriger zu erkennen. Kinder, die weniger Wörter kennen als ihre Altersgenossen, kommen in ihrem gewohnten Alltag nämlich oft trotzdem gut zurecht und entwickeln Mechanismen, um ihre Schwierigkeiten zu verstecken. Wenn sie jedoch mit ungewohnten Situationen konfrontiert werden, stehen sie plötzlich vor großen Problemen, ihre Mitmenschen zu verstehen und sich selbst auszudrücken.
Hinweise für solche Schwierigkeiten können sein, dass ein Vierjähriger viele standardisierte Floskeln benutzt, anstatt unterschiedlich zu formulieren, oder keine Geschichte so erzählen kann, dass ein Zuhörer sie versteht. Aber auch wenn ein Kind in diesem Alter noch viele Grammatikfehler macht, sollte das ein Anlass sein, es einem Logopäden vorzustellen.

Sprachentwicklungsstörungen

Bei einer Sprachentwicklungsstörung (SES) liegt ein spezifisches Lernproblem vor: Obwohl das Kind normal intelligent ist und in einer Umgebung mit ausreichend sprachlichem Angebot aufwächst, kann es weniger von diesem Angebot profitieren als andere Kinder. Wird eine SES nicht therapiert, kann das schwerwiegende Folgen für die gesamte weitere Entwicklung des Kindes haben. Wer sich nicht gut ausdrücken kann und weniger versteht als andere, stößt überall im Leben auf Probleme: Die Verständigung mit den Spielkameraden ist schwierig und kann zu Konflikten und Ablehnung führen, was die Kinder emotional belastet. Und nicht zuletzt ist natürlich der schulische Lernerfolg gefährdet, wenn das Kind mit seinem Problem alleingelassen wird.

Genügend Input

Bei den meisten Kindern liegt jedoch keine SES vor, wenn sie nicht altersgemäß sprechen. Sie zeigen zwar auf den ersten Blick ähnliche Symptome wie einen geringen Wortschatz oder Schwierigkeiten mit dem Satzbau, die Ursachen ihrer Probleme liegen aber hauptsächlich in ihrer sprachlichen Umgebung.
Um eine Sprache lernen zu können, braucht ein Kind ein möglichst reichhaltiges Sprachangebot. Wenn es nicht genügend Input bekommt, lernt es nicht, altersgemäß zu sprechen. Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Kinder ist dies der Fall, und zwar unabhängig davon, ob sie ein- oder zweisprachig aufwachsen. Denn im Gegensatz zu einem bildungsfernen Elternhaus ist Mehrsprachigkeit in der Regel kein erhöhter Risikofaktor für Sprachschwierigkeiten bei Kindern.

Sprachförderung oder Sprachtherapie

Wenn ein Kind mit sprachlichen Schwierigkeiten in den Kindergarten kommt, aber keine SES vorliegt, ist Sprachförderung in der Kita sinnvoll, um den Rückstand bis zum Schulbeginn aufzuholen.
Während noch bis vor einigen Jahren spezielle Förderprogramme für diese Kinder angeboten wurden (etwa um die richtige Betonung von Wörtern zu üben oder den Wortschatz zu erweitern), steht heute die alltagsintegrierte Sprachförderung im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass keine gezielten Übungen gemacht werden, um ein bestimmtes Sprachdefizit auszugleichen. Stattdessen sollen die Erzieher/-innen in allen Situationen des Kitaalltags ein Sprachvorbild für die Kinder sein und sich – entsprechend den Fähigkeiten des einzelnen Kindes – sprachfördernd verhalten. Ziel ist es, dass die Kinder Sprache im Alltag möglichst vielfältig erleben und in einem für sie sinnvollen Zusammenhang „nebenbei“ lernen.
Ebenso wie die Förderung wurde auch die Sprachbeobachtung in den Kitaalltag integriert. Dadurch sollen die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder umfassender bewertet werden, als dies bei punktuellen Messungen möglich ist, die bis 2014 üblich waren. In diesem Zusammenhang wurde auch der umstrittene Delfin-Test abgeschafft. Die sprachliche Entwicklung wird nun vom Kitapersonal im Alltag beobachtet und regelmäßig dokumentiert. Nur wenn der Verdacht auf eine Sprachentwicklungsstörung besteht, werden externe Experten vom Gesundheitsamt oder ein Kinderarzt zugezogen. Denn in diesem Fall ist eine Sprachtherapie unerlässlich.

Text: Julia Turchenko

Infos

Alltagsorientierte Sprachbildung ist grundsätzlicher Bildungsauftrag der Kitas (www.mfkjks.nrw/die-sprachentwicklung-von-kindern-moeglichst-frueh-foerdern).

Sprachkitas: Kitas mit einem hohen Anteil von Kindern aus bildungsbenachteiligten Familien oder mit Migrationshintergrund erhalten über das Bundesprogramm „Frühe Chancen“ zusätzliche Mittel für qualifiziertes Personal (i. d. R. Erzieherinnen mit Zusatzqualifikation) für eine intensivere Sprachförderung (www.sprach-kitas.fruehe-chancen.de/).
Sprachheilkitas sind Einrichtungen, in denen für alle Kinder mit Förderschwerpunkt Sprache Therapien durch festangestellte Therapeuten angeboten werden.

Weiterführende Informationen:
Ausführliche Infos des Logopädenverbands über Sprachstörungen bei Kindern und Behandlungsmethoden: https://www.dbl-ev.de/kommunikation-sprache-sprechen-stimme-schlucken/stoerungen-bei-kindern.html

Informationen zu Zweisprachigkeit bei Kindern: http://www.zweisprachigkeit.net/

Mehrsprachiger Informationsflyer für Eltern zur Sprachentwicklung und Sprachförderung bei Kindern: http://www.sprich-mit-mir.org/start.html

Team Sprache und Kommunikation des Gesundheitsamts: http://www.staedteregion-aachen.de/wps/portal/internet/home/service/aemter/a53

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