Crossgolf: Ohne Grenzen

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Diese Outdoor-Sportart mag zunächst nach elitärem Gehabe gelangweilten Geldadels klingen. Crossgolf ist aber das genaue Gegenteil – ein Heidenspaß! Selbst mit den nassesten Füßen meines Lebens.

„Wir spielen im Annapark in Alsdorf“, hieß es. „Viel Beton“, hieß es. Drei Stunden später hatte ich die nassesten Füße meines Lebens. Drei Gründe: 1. heißt der Sport „Crossgolf“, 2. heißt der Annapark „Park“, weil es natürlich auch Grünflächen gibt, und 3. saugen Sneaker (s. Fotos) den Mix aus Regen und Schnee, der auf eh schon matschigen Boden klatscht, auf wie ein Schwamm, der gerade aus dem Urlaub in der Wüste Gobi kommt.

Diese blumige wie brillante Einleitung in den Text zeigt recht deutlich, welch gute Laune mit der Erinnerung an diesen Sonntagnachmittag im Februar aufkommt. Crossgolf macht unheimlich Spaß und lässt sich auch mit wenig Equipment und Vorwissen leicht spielen. Sascha Bien, Mitgründer von Crossgolf Aachen und des European Urban Golf Cups, weiß das und freut sich über jeden, den er mit seiner Begeisterung anstecken kann: „Ich warne die Leute vorher immer, „Vorsicht, Crossgolf macht süchtig“, und hinterher fragen immer alle, wann sie wiederkommen können.“

Angeblich ist Crossgolf eine Art Back-to-the-roots-Bewegung, da der Sport Golf laut Legende von schottischen Schäfern erfunden wurde: Schon die sollen querfeldein gespielt und sich ihre Ziele immer neu ausgesucht haben. 1754 wurde dann der erste Golfclub der Welt eröffnet. Galt Golf seither eher als elitärer Sport, bewegt sich der Trendsport Crossgolf also wieder davon weg.

Mehr Spielbarkeit, mehr Spaß

Die Regeln sind denkbar einfach: Vor dem Abschlag bilden sich Flights, also die sechs bis acht Spieler großen Gruppen, die nacheinander die Löcher spielen. Allzu lange Wartezeiten werden so verhindert. Vor dem Abschlag am jeweiligen Loch wird nochmal klar das Ziel formuliert, was an diesem Nachmittag ein Mülleimer sein kann, ein Schild oder das Kopfstück einer Mauer. Dabei werden diese „Löcher“ nicht zwangsläufig auf direktem Wege angespielt, Abschlag kann auch mal um die Ecke sein. Da muss zunächst ein Pfeiler umspielt oder der Ball eine Treppe hinauf geschlagen werden. „Wir nehmen die Gegebenheiten, wie sie sind, und bauen solche Hindernisse als Herausforderung mit ein“, sagt Stefan, der mir an diesem Tag die ersten Tipps zum richtigen Schwung gibt. Wer mit dem siebten Schlag das Ziel nicht erreicht, bekommt acht Punkte aufgeschrieben und beendet das Loch. Ein Spieler des Flights wird auserkoren, die Punkte auf seinem Handy zu notieren.

Das Wetter kann sich heute nicht zwischen steifer Brise und Schneegriesel entscheiden und stellt damit eine weitere Herausforderung für die Crossgolfer. Wenn der Wind den Ball von seiner Position pustet, darf er aber wieder zurückgelegt werden. Wenn der Ball unspielbar ist, etwa wegen Bodenunebenheiten, darf er in einem bestimmten Radius neu positioniert werden und so weiter. Was hier ein bisschen ans Minigolf erinnert, dient einfach der Spielbarkeit und damit dem Spaß an der Sache.
Überhaupt ist das Crossgolfen nicht gerade von Restriktionen geprägt. „Wir wollen in erster Linie Golf spielen“, sagt Sascha Bien, „und zwar ohne Druck oder irgendwelche Normen, die man vielleicht vom Golf kennt.“ Eine gewisse Philosophie steckt schon hinter diesem Sport: Freiheit, Genuss, frische Luft, gemeinsamer Spaß. Ohne die Bedingungen eines Golfclubs. Vor allem die soziale Komponente ist spürbar; den ganzen Tag über hilft mir jemand, erklärt, korrigiert und gibt Tipps. „Achte auf die Fußspitzen, die am besten die gerade Linie zum Ziel berühren“, „halte den linken Arm durchgestreckt, so bekommst du mehr Sicherheit beim Schwung“, „ok, beim nächsten Mal weißte ja Bescheid, was deine Schuhe angeht …“. Nach zwei, drei Versuchen treffe ich den Ball, und meine Schläge lassen Absicht dahinter vermuten. Und alle freuen sich mit mir. „Jeder hat hier Spaß“, erklärt mir Stefan nochmal, „jeder hilft irgendwie mit, und man erlebt so einen Tag gemeinsam.“

Prinzipiell kann jeder mitmachen und einfach beim Training vorbeikommen. Schläger und Bälle sind meistens ausreichend vorhanden. „Beim dritten Mal sollte man dann aber schon seine eigenen Schläger und Bälle mitbringen“, so Bien. „Die bekommt man mittlerweile für sehr wenig Geld bei eBay.“ Im Grunde bräuchte man nur zwei Schläger, ein kurzes Eisen, also ab Schlägerlänge 7, und einen Sand Wedge. Das Eisen für die Weite, den Wedge für die Höhe, was sich bei Hindernissen bzw. Zielen wie Mauern, Geländern oder Parkbänken als sehr hilfreich erweist.

Altersskala nach oben und unten offen

An diesem Sonntagnachmittag sind mit Ludwig (7) und Timo (11) zwei junge Teilnehmer dabei. Während Ludwig öfter spielen kommt und in der letzten Woche besser abschnitt als sein Vater, spielt Timo  zum ersten Mal. Den Schwung hinbekommen, den Ball treffen, der Rest kommt von allein – auch bei ihm gelingt das nach wenigen Versuchen. Sogar ein wenig schneller als bei den anderen drei, vier erwachsenen Premieren dieses Tages, meine einbegriffen. Und da sich die Erfolgserlebnisse zügig einstellen und die Löcher mit immer neuen Hindernissen aufwarten, kommt – auch bei jungen Teilnehmern – nie Langeweile auf.

Nach oben ist die Altersskala für diesen Outdoor-Sport offen: Der älteste Spieler von Crossgolf Aachen ist Jahrgang 1948. Alter ist also kein Kriterium, ganz im Gegenteil: Als im Jahre 2013 der erste European Urban Golf Cup, die Europameisterschaft im Crossgolf, stattfand, gewann die damals 11-jährige Jette Schulze. Auch sie ist heute im Alsdorfer Annapark dabei. „Natürlich war ich vom Sieg überrascht“, sagt sie, denn obwohl sie als Golferin natürlich ein wenig technisches Vorwissen hatte, sei das Crossgolf durch die verschiedenen urbanen Gegebenheiten schon etwas anderes.

Denn Crossgolf spielt man, wie der Name vermuten lässt, ohne Grenzen. Sei es in der Stadt, im Park oder rund um Gebäudeanlagen. Am Zinkhütter Hof in Stolberg wird genauso gespielt wie im Aachener Kurpark, rund um den Tivoli oder auf dem Katschhof. Da das Ziel, also das Loch, alles sein kann, stellen sich die Crossgolfer überall verschiedenen Anforderungen. Und wenn es Passanten und Hunde sind. „Wir nennen das liebevoll unser „Hundicap“ … Entweder bringen Hunde uns die Bälle nach dem Schlag zurück oder sie fressen sie sofort“, berichtet Bien. Einen Passanten oder Mitspieler habe man dagegen noch nie getroffen. Selbst wenn: Die Bälle beim Crossgolf sind leichter als die beim normalen Golf. So können sie weder jemanden verletzen noch Fensterscheiben zerstören. „Trotzdem gilt bei uns immer „safety first“!“ Und „Play fair!“ sowie natürlich „Have fun!“.

„Neben dem Golf komme ich immer wieder sehr gerne zum Crossgolf, weil es schon ein wenig ungezwungener ist“, sagt die amtierende Europameisterin Jette Schulze. In einer Gruppe neben uns erklärt gerade jemand den Unterschied zwischen den Schlägerlängen. Meine nassen Schuhe/ Füße quietschen schmatzend bei jedem Schritt. Hinter uns versemmelt ein erfahrenerer Crossgolfer unter großem Hallo einen sicheren Schlag. Und am nächsten Loch mache ich ein „Hole in one“. Wobei das „Hole“ eine Vertiefung im Boden ist, die mindestens 10 Meter Durchmesser hat – ein ehemaliger Schachtzugang, wie ich erfahre, während ich mich noch über diesen Jahrhundertschlag freue. Ja, „ungezwungen“ trifft es ganz gut. Wann darf ich wiederkommen?

Am 16.05.2015 findet der nächste European Urban Golf Cup, also die nächste Europameisterschaft, statt; diesmal in London. Zwölf europäische Länder nehmen mittlerweile teil. Beim Qualifikationsturnier für die zwölf Plätze im deutschen Team trafen sich am 28. März in Wittenberg, Sachsen-Anhalt, über 80 Crossgolfer aus ganz Deutschland. Das Turnier war offen, jeder konnte sich also anmelden und für London qualifizieren. Auch von Crossgolf Aachen waren einige Teilnehmer am Start. Ob sie sich qualifiziert haben, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Auch zum Training, das meist sonntags stattfindet, kann jeder kommen. Am besten über die Facebook-Seite von Crossgolf Aachen vorher kurz Bescheid sagen, damit auf jeden Fall genug Equipment dabei ist. Auf der Seite erfährt man auch rechtzeitig, wo in der Region beim nächsten Mal trainiert wird.

www.facebook.com/crossgolfaachen

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