Saludos Amigos

in Kino & Filme

Nach „Bambi“, Disneys fünftem Spielfilm-Meisterwerk, beginnt mit „Saludos Amigos“ eine neue Ära, die der Package-Filme. Nachdem der europäische Markt durch den Zweiten Weltkrieg eingebrochen war und auch die USA eintraten, verschlechterte sich die Situation für den Konzern dramatisch. Jahrelange Kleinarbeit konnte man sich nun nicht mehr leisten, sodass sich Disney auf die alte Stärke des Studios besinnen musste: Die Kurzform, dh. den Cartoon auf Vorfilmlänge. Aneinander montiert konnten so lange Filme entstehen, deren einzelne Segmente unabhängig voneinander produziert und auch verstanden werden konnten. Künstlerisch bedeutete diese Entscheidung zwar einen deutlichen Rückschritt, der allerdings nötig war und die Firma vor dem sicheren Ruin rettete. Der erste Vertreter dieser Package-Movies ist „Saludos Amigos“, der sich aber noch große Mühe um eine heterogene Form macht. So handelt es sich keinesfalls um unmotiviert zusammengeschnittene Cartoons unterschiedlicher Machart und Qualität sondern um ein letztlich sehr dichtes Gesamtwerk.

Der ganze Film widmet sich dem südamerikanischen Kontinent, wofür er einheimische Folklore ebenso nutzt wie die Techniken des pädagogischen Dokumentarfilms. Naturdokumentationen sollten ein Jahrzehnt später zum weiteren Standbein für Disney werden, „Die Wüste lebt“ zählt beispielsweise bis heute zu den wichtigsten und erfolgreichsten Filmen seiner Art. Weiterhin – und das ist vielleicht das bemerkenswerteste überhaupt an diesem mit vierzig Minuten Laufzeit kürzesten aller Disney-Kinofilme – thematisiert man hier direkt die Entstehung eines Kunstwerkes, d.h. man begleitet die Zeichner von der Inspiration bis zur Ausführung. Und das alles andere als dröge sondern mit viel Verve und um vier wunderschön kolorierte Zeichentrick-Sequenzen herum gebaut. Ein bisschen sehr verstaubt ist ohne Frage allenfalls der onkelhafte, sehr biedere Erzähler, der in der deutschen Synchronisation einen aus heutiger Sicht doch arg braven Tonfall anschlägt. Die Originalfassung ist dagegen spritziger, kommt für Kleinkinder allerdings nicht in Betracht. Gerade die können aber von diesem Film profotieren, der nicht nur auf die Disney-typischen „dunklen“ Momente verzichtet, sondern sich auch respektvoll und eingehend mit einer fremden Kultur befasst.

Im ersten Abschnitt scheitert Donald Duck mit gewohnt irrwitzigem Slapstick an der Tücke des Objekts, unter anderem an der Überquerung einer langen Hängebrücke über einem gigantischen Abgrund in den Bergen. Die zweite Episode begleitet eine Familie von Postflugzeugen, die ähnlich vermenschlicht sind wie die Autos viele Jahrzehnte später in „Cars“. Der kleine Pedro muss sich beweisen, als sein Vater krank wird und die gewohnte Gefahrenroute über die winddurchzogenen Anden nicht selbst fliegen kann. Auf dem Rückflug gerät der Nachwuchsflieger in Lebensgefahr und droht abzustürzen. Die aufpeitschende Action bietet hier für Kinder einen ungemein kraftvollen Spannungsbogen. Die dritte längere Zeichentricksequenz zeigt den gutherzigen aber gewohnt trotteligen Goofy, wie er sich recht erfolglos als Gaucho versucht – den Kapriolen seines Pferdes ist er nicht ausreichend gewachsen. Die finale Episode beschäftigt ich intensiv mitMusik, Tanz und Rhythmus. Neben genialen Silhouetten-Spielen besticht diese letzte Episode vor allem durch den ungewöhnlichen Umgang mit seiner Hauptfigur: Donald Duck tritt hier in direkten Kontakt mit seinem Zeichner, der durch seinen flink geschwungenen Pinsel im Bild präsent ist und eine wunderbar verspielte Interaktion mit der berühmtesten Ente der Welt eingeht.

Die DVD präsentiert den Film in grundsolider Qualität und seinem Alter entsprechend in frischer und lebendiger Auflösung. Und das Bonusmaterial hält einen filmhistorischen Leckerbissen der besonderen Art bereit. Die zeitgenössische Dokumentation „Im Süden von Amerika“ ist eine Mischung aus Making Of und erläuterndem Kommentar zum Film, bietet rares Bildmaterial aus Südamerika in Farbe, gibt informative Einblicke in Produktionsabläufe und dürfte zu den ersten begleitenden Dokumentarfilmen seiner Art gehören. Mehr als eine halbe Stunde lang kann man auf diese Weise den arg kurzen Hauptfilm vertiefen

GB & USA 1942 / Regie: Jack Kinney, Clyde Geronimi, Hamilton Luske, Bill Robert, Wilfried Jackson, Norman Ferguson / 40 Min. / FSK: ohne Altersbeschränkung
Erscheinungstermin: breits auf DVD erhältlich

Bleibe immer auf dem Laufenden

Ich will nichts verpassen und möchte wöchentlich den kostenlosen KingKalli-Newsletter erhalten und über aktuelle Themen und Termine auf dem Laufenden gehalten werden.

Ich bin damit einverstanden, den Newsletter zu erhalten und weiß, dass ich mich jederzeit problemlos wieder abmelden kann.

Hinterlasse einen Kommentar