Geduld ist das Zauberwort – Interview bezüglich der Kaiserschnittrate im Marienhospital Aachen

in Aktuelles um die Ecke, Familienleben

In den letzten Jahren sind die Kaiserschnittraten auf Werte um die 35 Prozent gestiegen. Manche Kliniken liegen bei einer Rate von fast 50 Prozent. Die Geburtsabteilung des Marienhospitals in Aachen wirkt seit zwei Jahren diesem Trend entgegen. Chefarzt Dr. Matthias Lerch und die leitende Hebamme Anja Salmassi haben uns erläutert, warum sie das wichtig finden, wie es geht und wie die 25-Prozent-Rate erreicht wurde.

„Geduld haben“, immer wieder fallen diese Worte, wenn Anja Salmassi, die seit 25 Jahren im Marienhospital arbeitet, über Geburtshilfe spricht. „Es ist wichtig, dass Hebammen Herzblut in die Betreuung stecken und unter der Geburt warten können.“

Als Chefarzt Dr. Matthias Lerch im Juni 2014 an das Marienhospital kam, war er glücklich, auf ein Team zu treffen, das genau wie er Geburtshilfe aus Leidenschaft betreibt. Sofort machte man sich an die Arbeit, ein neues Konzept zu entwickeln, das den werdenden Müttern mehr Raum lässt.

Ein Grundstein ist, dass die Frauen, die ein Kind erwarten, sich wohlfühlen und Vertrauen in das Team haben. Jeder Frau steht eine 1:1-Betreuung zur Verfügung. Eine Hebamme bleibt auch länger, wenn die Geburt in vollem Gange ist, und nimmt nicht einen plötzlichen Schichtwechsel mit. Stagniert der Geburtsverlauf, wird in vielen Kliniken ein Kaiserschnitt vorgeschlagen. Im Marienhospital ist dies nicht zwingend der Fall, dort setzt man auf Zeit. Selbst wenn die Hebamme und der Arzt meinen, es tue sich nichts mehr und ein Kaiserschnitt sei angeraten, kann man der Frau auf Wunsch noch ein paar Stunden Zeit geben, sofern das Kind nicht in Gefahr ist. Und in manchen Fällen kommt es dann eben doch noch zu einer spontanen Geburt.
Dr. Matthias Lerch setzt auf Beratung und Aufklärung, ist aber auch dagegen, Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen, die sich von Anfang an einen Kaiserschnitt wünschen. „Es gibt Frauen, die haben Angst und können sich auf eine Geburt nicht einlassen“, erklärt er.
Aufgabe der Klinik sei es, auch in diesen Fällen über Risiken der OP zu informieren und zu erläutern, welchen Vorteil eine natürlich Geburt für das Neugeborene hätte. „Ein Kaiserschnitt ist auch nicht die Lösung aller Probleme“, so Dr. Lerch.
„Die Kinder sind bei einer natürlichen Geburt durch Wehen und den Blasensprung vorbereitet, dass es losgeht und sie in die Welt entlassen werden. Sie sind fitter und haben seltener Asthma und Diabetes.“ Das Optimum sei also eine natürliche Geburt, gefolgt von dem ungeplanten Kaiserschnitt. Dr. Lerch: „Selbst beim ungeplanten Kaiserschnitt profitieren die Kinder noch, denn sie haben bereits die Wehen erlebt und werden nicht so durchs plötzliche Auf-die-Welt-Holen überrascht.“ Natürlich könne der ungeplante Kaiserschnitt für die Frau frustrierend sein, die sich ja eine natürliche Geburt gewünscht habe. Gespräche nach der Geburt helfen dann, das Ereignis aufzuarbeiten.
Auch Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt hinter sich haben, kommen ins Marienhospital in der Hoffnung, dort beim nächsten Kind ohne Kaiserschnitt auszukommen. In 70 Prozent der Fälle klappt dies auch, wie Dr. Lerch und Anja Salmassi bekräftigen.
Inzwischen hätten wieder vermehrt Mütter den Wunsch, ihr Kind natürlich auf die Welt zu bringen, erzählt die leitende Hebamme: „Alles geht derzeit wieder in Richtung „natürlich“. Dazu passt auch das Bonding.“ Auch nach einem Kaiserschnitt wird den Müttern das Kind auf die Brust gelegt, sofern dies möglich ist. Egal, wie das Kind nun das Licht der Welt erblickt hat – nach der Geburt soll die Familie schnell zusammenwachsen.

„Die Frauen sollen glücklicher nach Hause gehen“

Dazu soll die Station noch familienfreundlicher umgestaltet werden. Zwar gibt es auch jetzt schon Familienzimmer, aber bald sollen alle Zimmer auf der Geburtsstation so umgebaut werden, dass sie auf Wunsch schnell in Familienzimmer umgewandelt werden können. Der frischgebackene Vater und bis zu ein Geschwisterkind können also bei Mutter und Baby im Zimmer übernachten. Zudem ist ein hebammengeleiteter Kreißsaal in Planung, bei dem sich die Ärzte noch mehr zurückziehen. „Das muss man sich wie ein kleines Geburtshaus vorstellen“, so Salmassi zu den Zukunftsplänen der Abteilung.

Das ganze Team steht hinter dem Konzept und bringt sich mit seiner Erfahrung und viel Geduld zum Wohl der Gebärenden ein, selbst wenn das einmal länger dauert. „Mit einem Kaiserschnitt ist man schneller und kann mehr verdienen“, so Dr. Lerch „aber das nehme ich in Kauf – wir wollen einfach, dass die Frauen glücklicher nach Hause gehen.“

Wer sich über das Konzept informieren möchte, hat dazu regelmäßig Gelegenheit: jeden Dienstag um 18:00 Uhr, Treffpunkt Haupteingang Marienhospital Aachen

Weitere Infos:
www.marienhospital.de/de/frauenklinik-marienhospital-aachen
Chefarzt Dr. med. Matthias Lerch: 0241 6006-1601
Anja Salmassi auf Station: 0241 6006-2335

Bleibe immer auf dem Laufenden

Ich will nichts verpassen und möchte wöchentlich den kostenlosen KingKalli-Newsletter erhalten und über aktuelle Themen und Termine auf dem Laufenden gehalten werden.

Ich bin damit einverstanden, den Newsletter zu erhalten und weiß, dass ich mich jederzeit problemlos wieder abmelden kann.

Hinterlasse einen Kommentar