Medienkompetenz: „Vertrauen Sie Ihren erzieherischen Fähigkeiten. Und Ihren Kindern!“

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Facebook, Killerspiele, Internetsucht – wir mahnen, warnen und haben Angst. Besonders um unsere Kinder. In Wahrheit sind sie aber die Digital Natives: Technisch stecken sie uns Digital Immigrants locker in die Tasche! Aber keine Sorge: Was die sonstigen Kompetenzen angeht, sind wir Eltern immer noch verdammt wichtig, beruhigt uns Medienexperte und Journalist Thomas Feibel.


Das Praxisnetz der Kinder- und Jugendärzte der StädteRegion Aachen hatte im November zusammen mit der Mayerschen Buchhandlung ins Forum M geladen, um Feibel und seinem Vortrag zu Medienkompetenz und Mediengesundheit zu lauschen. Kindheit 2.0 – Facebook, Killerspiele und Internetsucht. Wie viel Medien sind gesund? Gut, dass sich im Laufe des Abends herausstellen wird, dass der Titel bewusst reißerisch gewählt war.

Feibel ist selbst Vater und leitet das Büro für Kindermedien in Berlin. Er publiziert unter anderem für Stiftung Warentest, c’t, Spiegel online oder Die Zeit. Seit etwa 1995 befasst er sich mit Spielesoftware für Kinder und damit einhergehend mit Medienkompetenz. Feibel ist Autor des etablierten Standardwerks „Der Kinder-Software-Ratgeber“ und zahlreicher Sach-, Kinder- und Jugendbücher, zu denen auch sein Facebook-Roman „Like me“ gehört. „Schön, dass so viele Menschen gekommen sind“, eröffnet er vor etwa 150 Zuhörern den Vortrag, „aber mit so einem Titel funktioniert das auch besser, als nur mit dem Begriff „Medienkompetenz“.“

Nach einer kurzen persönlichen und medizinischen Einführung durch die Aachener Kinderärzte Dr. Claus Pfannenstiel und Dr. Klaus Reddemann wird schnell klar, dass dieser Vortrag nicht unbedingt das ist, was man zu diesem Thema erwarten würde. Kein erhobener Zeigefinger, keine Scharfmacherei, keine Verteufelungen, sondern ein zeitgemäßer Ansatz, ein Umgang, der auf dem gesunden Menschenverstand basiert, ein Appell an das Selbstvertrauen. Denn die Frage der Medienkompetenz unserer Kinder ist eigentlich eine Frage unserer eigenen Fähigkeiten im Umgang mit den „neuen“ Medien und unseren Kindern.

Feibel zitiert zunächst eine Gewaltszene voller Folter und Mord, die sich als Szene aus Sartres Schmutzige Hände entpuppt. „Gehen Sie jetzt nicht mehr ins Theater?“ Dem Publikum Fragen zu stellen, zur Reflexion anzuregen, ist ein roter Faden, den Feibel an diesem Abend spinnt. „Was würden Sie tun? Sie wissen es nicht? Woher sollen es dann Ihre Kinder wissen?“ Oder: „Wissen wir, dass Gewalt Teil unserer Kultur ist? Also auch Teil der Jugendkultur?“ Oder: „Waren wir denn früher anders? Blödsinn haben wir alle gemacht!“ Die heutigen Streiche seien eben in anderer Form möglich und verbunden mit anderen Konsequenzen. Über diese neuen Gefahren, etwa die durch das Internet deutlich vergrößerte Reichweite, könne und müsse man Kinder doch genauso aufklären und erziehen.

Dabei gelte es zu beachten, „dass jeder Mensch, jedes Kind natürlich einzigartig ist.“ Eine Formel, in welchem Alter man wie viel „Bildschirmzeit“ zulässt, gebe es nicht. Eine Einschätzung erfolge einfach durch Beobachtung und Kommunikation – aber auch durch Übertragung von Verantwortung. „Das Internet beispielsweise bietet Kindern und Jugendlichen bisher nie dagewesene Möglichkeiten der Partizipation – warum also die Kinder nicht auch am Lernprozess aktiv teilhaben lassen?“, wirft Feibel eine weitere rhetorische Frage in den Raum. Wichtig seien klare Ansagen, etwa in Bezug auf „persönliche Daten“: „Dieser Begriff ist einfach schwammig. Kinder, die alt genug sind, ins Internet zu gehen, verstehen auch, wenn man offen mit ihnen redet: Gib weder deine Adresse noch deine Telefonnummer raus, rede nicht über Sex und verabrede dich nicht dazu.“

Immer wieder verweist Feibel auf die grundsätzliche Erziehungsarbeit, unabhängig von der Problemstellung: „Wir sind immer noch Vorbilder.“ Er spricht von Doppelmoral, wenn das Kind für die längere Autofahrt „ausnahmsweise“ den Gameboy in die Hand bekommt oder wenn „nur noch ein Viertelstunde“ Fernsehen geschaut werden darf, man aber vergisst, die Zeit zu kontrollieren, weil man sie selbst beim Surfen durchs Netz vergessen hat und dem Kind vorwirft, es sei unzuverlässig. Er spricht von „age compression“ und meint: Kinder werden immer früher erwachsen. Nicht biologisch, sondern dahingehend, dass das Spielzeug immer früher aus dem Kinderzimmer verschwindet und durch Technik ersetzt wird. „Erziehung fängt bei uns selbst an!“ ist das Credo, das Feibel nicht müde wird zu betonen. Entsprechend rege ist die Beteiligung in der anschließenden Fragerunde. Im Publikum sieht man fast nur erleichterte Gesichter. Trotz oder wegen der teils unerwarteten Antworten?

Thomas Feibels Vortrag im Forum M ist erfrischend. Weil Thomas Feibel nicht mit erhobenem Zeigefinger mahnt, sondern Mut macht. Weil da endlich jemand unverkrampft über neue Medien spricht und ihnen positiv gegenübersteht. Weil Feibel bei allem Mutmachen die Gefahren um Gewalt und Sucht dabei keinesfalls verharmlost: „Was war der erste Film, den Sie als Kind gesehen haben, der Ihnen so richtig Angst gemacht hat? Merken Sie das? Dieses ungute Gefühl ist sofort wieder da! Die Angst, die Spannung – das macht schon was mit der Seele …“ Thomas Feibels Vortrag tut uns Eltern und unseren Kindern gut, weil er bei aller Notwendigkeit vor allem für Vertrauen wirbt: Vertrauen in unsere eigenen erzieherischen Fähigkeiten und in unsere Kinder. „Lassen Sie sich nicht kirre machen. Verlassen Sie sich ruhig auf Ihren gesunden Menschenverstand. Autorität bedeutet auch Halt, Güte und Verständnis.“

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