Sachspenden – zwischen gut und gut gemeint

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Wie kann ich Flüchtlingen sinnvoll helfen?

Die Zahl der Flüchtlinge nimmt derzeit immer weiter zu, auch in Aachen kommen immer mehr Menschen an. Zum Glück reagieren die Menschen vor Ort verständnisvoll und mit großer Spendenbereitschaft. Bis Anfang September sind allerorts so viele Sachspenden eingegangen, dass zum Beispiel keine Kleidung mehr angenommen werden kann. Bei manchen stößt es allerdings auf Unverständnis, wenn die Spendenbereitschaft zurückgewiesen wird. Wie man sich aus der Sicht der betreuenden Organisationen richtig engagieren kann, erläutert Heidi Baumsteiger, die von der Caritas mit der Beratung von Flüchtlingen beauftragt wurde und die derzeit auch die Plattform jutestun betreut.

„Hauptsache, die haben was zum anziehen“

„Das sind zwar Mädchenjeans, aber der Junge kann die doch auch anziehen“ hat Heidi Baumsteiger so oder ähnlich schon öfter gehört. „Hauptsache, die haben was zum anziehen“ reicht aber nicht, erläutert sie. Flüchtlinge gehören zu den schwächsten Gliedern der Gesellschaft und sind sich dessen durchaus bewusst. Und gerade deswegen möchten sie sich nicht auch noch optisch so präsentieren.
Wer also Secondhand-Kleidung verschenkt, sollte schon auf Optik und Qualität achten. Mit Löchern drin, verschmutzt oder kaputt gehört sie eher in die Mülltonne als in die Geschenktüte.
Der dicke Wälzer ist für Menschen, die gerade erste Brocken Deutsch lernen, ebenso wenig die richtige Wahl wie Süßigkeitenberge, mit denen Kinder überschüttet werden.
Eine gewisse „Sachspendenmoral“ sei nötig, erläutert die Fachfrau, der durchaus bewusst ist, dass absoluter Wert und subjektiver Wert auseinanderklaffen können. Der Senior, der das Schlafzimmer verschenken möchte, in dem er mit seiner Frau 50 Jahre glücklich war, sieht hier durchaus einen hohen Wert, lässt aber vielleicht außer Acht, dass dies nicht das geeignete Geschenk für einen Jugendlichen in seiner ersten Miniwohnung ist.
Um Enttäuschungen auf beiden Seiten zu vermeiden, muss man mitdenken und nicht wahllos drauflospacken.
„Die meisten denken aber gut mit“, lobt Baumsteiger.
Von teuren Neuanschaffungen aus Mitleid raten die Hilfsorganisationen aber in den meisten Fällen auch ab. Das hat verschiedene Gründe. Ein Jugendlicher, der ein sehr teures neues Fahrrad geschenkt bekommt und an seine Familie zu Hause denkt, gerät in Versuchung, das Rad zu verkaufen, um das Geld der Familie zu schicken oder andere Dinge davon zu kaufen. Ein einfaches Gebrauchtrad sei in diesem Falle die bessere Wahl, rät Baumsteiger.

Die Sache mit dem Neid

„Viele meinen, Flüchtlinge müssten grundsätzlich alles geschenkt bekommen“, benennt Baumsteiger einen Aspekt, der auch Neider auf den Plan ruft.
Die Hilfsorganisationen raten: „Grundsätzlich alles kostenlos zur Verfügung zu stellen ist nicht sinnvoll. Flüchtlinge sollen wie Hartz-IV-Empfänger im Laden selbst etwas kaufen. Dafür stehen auch Sozialkaufhäuser bereit, wo es Dinge für kleines Geld gibt. Sie sollen lernen, für sich zuständig zu sein und sich im neuen Land als mündiger Mensch zu entwickeln.“
Hier muss aber differenziert werden. Heidi Baumsteiger erklärt die unterschiedlichen Situationen, in denen sich Flüchtlinge befinden. Sie sind keine homogene Gruppe. Die verschiedenen Situationen, in denen sie sind, kann man wie folgt am Beispiel von Aachen beschreiben: Derzeit sind rund 1.200 Asylbewerber in Aachen untergebracht, außerdem ca. 500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und 900 Menschen, die die Landeseinrichtung wegen Überfüllung in Dortmund kurzfristig in Aachen untergebracht hat. Einige der Menschen sind zudem zu ihren Familienangehörigen nach Deutschland gekommen, die versichern, für alle anfallenden Kosten aufzukommen.
Die 200 Menschen, die vorübergehend im Inda-Gymnasium untergebracht waren und nun in der Franzstraße wohnen, und weitere 750 neu hinzugekommene in verschiedenen Turnhallen und einer Kaserne der Bundeswehr sind z. B. gerade erst in Deutschland angekommen. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt nichts, teilweise nur Plastiktüten mit ihren paar Habseligkeiten. Für sie wurde bei der Ankunft ein Spendenaufruf gestartet, dem so viele Menschen nachgekommen sind, dass nicht nur die Kleiderläden in Aachen mit dem Überschuss noch gut befüllt werden konnten, sondern sogar noch Dinge in andere Einrichtungen außerhalb Aachens weitergeleitet wurden.
Diese Menschen erhalten jetzt ein Taschengeld von 143 Euro pro Monat (Kinder 85-92 Euro). Für die anderen Dinge wie Schlafplatz, Kleidung, Verpflegung und Hygieneartikel wird gesorgt.
Sind die ersten Formalitäten geregelt und Asylanträge gestellt, kommen die Asylbewerber ebenfalls in Einrichtungen, wo für ihre Unterkunft gesorgt ist. Sie müssen dort bleiben und erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), nämlich 359 Euro, was unter dem Hartz-IV-Satz von 399 Euro liegt, um sich selbst zu versorgen. In den Unterkünften, die ihnen gestellt werden, ist in der Regel eine einfache Möblierung vorhanden.
In dem Moment, wo die Menschen in eigene Wohnungen ziehen können, sind sie gleichgestellt mit Hartz-IV-Empfängern. Sie bekommen auch einen Zuschuss, um die erste Wohnung einzurichten. Hierbei muss man jedoch bedenken: Während andere Menschen Dinge von ihrem ehemaligen Zuhause oder Elternhaus mitnehmen können, wenn sie in eine eigene Wohnung ziehen, fangen Asylbewerber bei null an. In diesen Situationen werden ebenfalls häufig Spenden gesucht, um bei der Einrichtung der ersten Wohnung behilflich zu sein.
Wenn ein Baby erwartet wird, sieht es ähnlich aus. Das Geld reicht nicht für eine komplette Erstausstattung, Spenden wie Kinderwagen sind in dieser Situation oft willkommen.

Am Bedarf orientieren

Um eine Synchronisation zwischen Bedarf und Angebot zu schaffen, wurde von einigen jungen Studenten in Aachen die Plattform „jutestun!“ ins Leben gerufen und programmiert. Dort können Hilfsorganisationen aus Aachen den aktuellen Bedarf einstellen und Menschen, die gerne helfen wollen, sind gebeten, Kontakt aufzunehmen.
Dabei kann es sowohl um Sachspenden gehen als auch um praktische Hilfen wie Nachhilfe oder Gitarrenunterricht. Das funktioniert sehr gut. Im August konnte sich das Zentrum für soziale Arbeit innerhalb weniger Tage sogar über 20 Betten für die Jugendlichen freuen, die bislang auf klapprigen Metallgerüsten nächtigen mussten.
Das Verfahren garantiert also, dass das vermittelt wird, was auch gebraucht wird. Die Hilfsbedürftigen bestimmen, was gebraucht wird, und kommen aus der passiven Rolle heraus.
„Wir wollen die Menschen nicht unmündig machen“, sagt Baumsteiger. „Wir haben hier die Tendenz, Menschen zwar viel zuzumuten, aber wenig zuzutrauen. Diese Jugendlichen, die hier alleine ankommen, zum Beispiel als arme Hascherl abzustempeln wird ihnen nicht gerecht. Sie haben es alleine hierhin geschafft und wir müssen ihnen dabei helfen, in unserer Gesellschaft mündige Menschen zu werden. Es ist auch eine Frage der Würde. Menschen müssen nicht alles geschenkt bekommen. Sie müssen lernen, mit dem, was sie haben, umzugehen, schließlich wollen sie auch hierbleiben und sich hier etwas aufbauen.“

Heidi Baumsteiger, die eng mit der Stadt Aachen zusammenarbeitet, zitiert auch den Appell der Stadt an die Bürger, die noch gute Dinge im Keller haben, die sie gerne verschenken möchten: „Sie müssen sich nicht jetzt verausgaben und alles jetzt verschenken. Es kommen noch Menschen, warten Sie den Bedarf ab.“

Adressen:
http://www.jutestun.de

Hotline der Stadt Aachen, für Menschen, die helfen wollen (derzeit werden Dolmetscher gesucht und Menschen, die bei der Essensausgabe helfen):
0241 432-7890
helfen@mail.aachen.de

fluechtlingshilfe.unserac.de
Auf der Seite finden sich Initiativen und Institutionen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, eine Dolmetscherliste und etliches an Hintergrundtexten und kommunalen Entscheidungen zum Thema.

http://aachener-haende.de
Vermittlung von Paten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Ab Oktober kann man sich wieder vormerken lassen.

www.buergerstiftung-aachen.de
Koordiniert diverse Aktionen, um Flüchtlinge willkommen zu heißen

Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser und Möbelshops:
https://kingkalli.de/orte/second-hand-laeden

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One response to “Sachspenden – zwischen gut und gut gemeint

  1. Hallo

    ich bin beim TÜV NORD Blldung täglich damit beschäftigt, arbeit-suchenden Aachener Training für ihre Bewerbung zu vermitteln. Die Gruppe – bestehend aus etwa 25 Frauen und Männern aus allen Kulturen und Ländern – ist in den „letzten Zügen“ einen interaktiven Stadtplan von Aachen zu erstellen. Dieser soll den Flüchtlingen in Aachen helfen, in 4 Sprachen (Deutsch, Englisch, Arabisch und Farsi) die Orte schneller zu finden, die für sie wichtig sind:

    Ärzte, Krankenhäuser, Waschsalons, Moscheen, Familienfilfestellen, Lebensmittelgeschäfte mit Halal usw. usw.

    Dieser Stadtplan wird weiter ergänzt werden und lebt von der Mithilfe aller Aachener.

    Meine Bitte an Sie:
    Können Sie uns unterstützen, Türen öffnen, den Stadtplan weiter reichen und ein gutes Wort an den richtigen Stellen dafür einlegen. Wir – die Arbeitslosengruppe und die Dozenten – und die Flüchtlinge (Plan via Handy nutzbar) freuen sich darüber.

    Vielen Dank
    Hans Bayartz

    … übrigens:
    Momentan ist der Plan hier einsehbar unter: is.gd/NgLkWR

    Unsere Facebook-Seite finden Sie unter: https://www.facebook.com/aachenrefugee/