Parkour: Ein ganz eigener Weg

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Der Sport Parkour hat seinen Ursprung schon in den 80ern und heute einen regen Zulauf an Anhängern. Denn Parkour ist vielseitig, es geht um Kraft, Koordination, Ausdauer – und darum, dass auch der Kopf mitmacht.

Bei höchstens vier Grad pfeift der Wind an diesem Sonntag durchaus eisig über den Aachener Bahnhofsplatz. Auf den Bänken davor sitzt eine Gruppe junger Leute in Sweathosen, Kapuzenpullis und Sneakern oder Laufschuhen. Sie sehen nicht nur so aus, als wollten sie jetzt und hier Sport machen, nach einer kurzen Begrüßung tun sie das auch. Genauer: Es geht ein paar Meter weiter in die Hackländerstraße, um sich dort erstmal aufzuwärmen.

„Parkour bedeutet Kreativität!“
Lukas Oßmann von Parkour Aachen ist 22 und erzählt, dass er bereits seit sechs Jahren Parkour trainiert. Er leitet die Teilnehmer dieser Sonntagssession immer mal wieder an, gibt Tipps, wie sich eine Mauer effizienter erklimmen oder ein Geländer dynamischer überspringen lässt, wie oder wo man optimal landet. „Beim Parkour geht es nicht um rambomäßiges Herumspringen, es geht ursprünglich um Effizienz: Wie lässt sich welche Hürde mit möglichst geringem Aufwand nehmen?“, sagt Oßmann. Dabei solle auch nichts kaputt gehen, weder Mensch noch Material. Vielmehr sei die Herausforderung, sich auf jede Gegebenheit einzustellen, sich seine Umgebung zunutze zu machen, ohne sie zu verändern. „Parkour bedeutet Kreativität!“, denn Ziel dieser Fortbewegungsart ist, die Fähigkeiten des eigenen Körpers möglichst effizient zu nutzen. Also ausdrücklich auch nicht so, wie durch Architektur oder Kultur vorgegeben. Aber idealerweise immer im Fluss und kontrolliert.

Von der Natur in die Städte
Bereits in den frühen 80er Jahren legte der Franzose David Belle den Grundstein zum Sport Parkour im Pariser Vorort Lisses. Von seinem Vater Raymond Belle, einem ehemaligen Vietnamsoldaten, hatte er die Méthode Naturelle erlernt, eine Art physisches und mentales Training im Einklang mit der Natur. David Belle übertrug das Gelernte auf den urbanen Raum der Vorstadt, indem er mit anderen Kindern Verfolgungsjagden über Treppen, Bänke oder Tischtennisplatten veranstaltete. Je älter er und seine Freunde wurden, desto anspruchsvoller wurden auch die Hindernisse: Mauern, Zäune, Häuserfassaden. Ziel war und ist es, sich elegant und ergiebig durch den gegebenen Raum zu bewegen. Dabei ist vor allem Kreativität gefragt, durch die sich neue Wege und Möglichkeiten der Nutzung ergeben.

Fortbewegung über urbane Hindernisse, die oftmals aus Beton und Stahl bestehen – das wirft natürlich Fragen nach dem Verletzungsrisiko auf. Lukas Oßmann weiß, dass der Sport durch seine mediale Präsenz in Actionfilmen oder Musikvideos, in denen es häufig übertrieben zugeht, ein draufgängerisches Bild abgibt. „Das Gegenteil ist der Fall: Sieht man einen schnellen Bewegungsablauf oder einen eleganten Sprung, denkt man natürlich nicht an die fünf Jahre Training, ohne die die Abfolge nicht möglich wäre.“ Seinen Körper und seine Bewegungen lerne man im Training kennen, so Oßmann weiter. Um diesen Sport ausleben zu können, bedürfe es einiger Fitness, Konzentration und auch eines gewissen Maßes an Disziplin.
Parkour Aachen trainiert nicht nur im Freien, auch in der Halle gibt es die Möglichkeit zu intensivem Training. In Aachen-Walheim und in Heinsberg arbeite man mit zwei Vereinen zusammen, „die uns Hallen zur Verfügung stellen. Wir stellen dafür einen Trainer“, erzählt Lukas Oßmann. Parkour Aachen sei kein Verein, sondern eine offene Gruppe. Entsprechend gestalte sich auch das Training: „Es ist nicht so, dass ein Trainer vor der Gruppe steht und alle die gleichen Bewegungen üben.“ Vielmehr leitet er jeden Teilnehmer einzeln an. „Denn darum geht es bei Parkour: mit seinen eigenen Fähigkeiten seinen eigenen Weg finden“, so Oßmann weiter. Es gibt keine Wettbewerbe und keinen Zwang, jeder bringt seine eigene Motivation mit. Das führt aber auch manchmal dazu, dass einige Traceure, so heißen die Parkourläufer, sehr unregelmäßig zu Training oder Session kommen. „Wir sind aber für alle offen, egal welche Ambitionen sie mitbringen.“ Für das Training in der Halle ist allerdings aus Versicherungsgründen eine Vereinsmitgliedschaft beim TSV Hertha Walheim oder beim TV Eintracht Heinsberg nötig.

Die Angst loswerden, den Respekt behalten
Die Gruppe um Lukas ist nun in der Warmweiherstraße angekommen, Nick, Marco, Felix, Peter und Michelle üben mit Lukas verschiedene Arten, eine Mauer zu erklimmen. Mal laufend, mal hangelnd, mal im Sprung. Die Traceure gehen dabei immer wieder einige grundlegende Bewegungen durch, vollenden dann aber ihren Lauf immer so, wie es sich für sie persönlich am besten anfühlt. Der kreative Anteil an diesem Sport erhebt ihn für nicht wenige Traceure zur Kunst, weiß Oßmann. Dennoch gebe es so etwas wie Wettbewerb im Parkour nicht: „Im Gegenteil! Wenn man sich mit Traceuren aus anderen Städten trifft, zeigt man sich gegenseitig verschiedene Spots und erläuft sie dann gemeinsam. Oft haben die Läufer von außerhalb einen ganz anderen Blick auf die Spots, auf die wir seit Jahren gehen. So ergeben sich immer neue kreative Ansätze, diese Räume zu erleben.“

Die sechs Teilnehmer der heutigen Parkour-Session sind zwischen 18 und 52 Jahre alt. „Unser Jüngster ist gerade mal 12 Jahre alt, da haben wir ein recht breites Spektrum“, sagt Lukas Oßmann. Der 52-jährige Peter, der älteste Traceur bei Parkour Aachen, ist topfit: „Ich fahre sehr viel Fahrrad, gehe in der Halle bouldern und laufe noch lieber Parkour“, grinst er und macht heute eine gute Figur unter den sonst eher jugendlichen Teilnehmern. Parkour ist aber auch für jeden da, wie Oßmann an diesem Nachmittag mehrfach betont. Die Gruppe bestehe aus ganz unterschiedlichen Menschen, die alle mal klein angefangen hätten. Ein paar mehr weibliche Traceure könnten es allerdings ruhig sein, so Oßmann: „Vielleicht denken manche, dieser Sport sei nichts für sie. Zu riskant, zu halsbrecherisch, zu sehr auf Kraft bedacht. Aber Parkour kann man jedem beibringen!“ Schließlich gehe es ja darum, sich mit seinen Ideen und mit seinem Können kreativ zu bewegen. „Grundsätzlich kann auch jemand, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, Parkour lernen und ausüben.“ Jeder, ob männlich oder weiblich, habe seinen eigenen Weg. Den zu finden, die Risiken und sich selbst einzuschätzen, das könne jeder lernen.
Angst müsse man abbauen, ohne dabei den Respekt zu verlieren. Viel Training sei wichtig, um die körperlichen und mentalen Grundlagen zu legen. „Auf einem 30 Zentimeter breiten Streifen zu balancieren, schafft wohl jeder. Befindet der sich aber auf einer drei Meter hohen Mauer, macht der Kopf nicht mehr mit“, so Oßmann. Obwohl es auch die Möglichkeit des Hallentrainings gibt, „bevorzuge ich das Training draußen. In der Halle neigt man schnell dazu, sich alles so zurechtzubauen, wie man es gerne hat. Die richtige Herausforderung, auch im Hinblick auf mögliche Risiken, liegt aber im Freien, denke ich. Da muss man sich auch mal mit nassen, rutschigen Untergründen auseinandersetzen.“ Wind und Wetter, so wie an diesem Sonntag, lässt Lukas Oßmann jedenfalls nicht als Ausrede gelten: „Das Schönste am Parkour ist doch, dass man immer und überall trainieren kann!“ Den Körper und den Kopf. Dann machen auch eisiger Wind bei vier Grad nichts.

Infos:
Derzeit trifft sich Parkour Aachen jeden Sonntag um 13 Uhr am Aachener Hauptbahnhof zur Anfängersession. Heißt: Jeder kann kommen und mitmachen. Sportklamotten und leichte Sportschuhe sind von Vorteil, Wohlfühlen ist aber das Wichtigste. Das Hallentraining findet zurzeit regelmäßig in Walheim (Turnhalle der Grundschule am Kirchberg) und in Heinsberg (Halle Westpromenade) statt.

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