„Paper or Plastic?“

in Aktuelles um die Ecke, Natur, Tiere, Nachhaltigkeit

Plastik. Wenn ich an Plastik denke, sehe ich Plastiktüten vor mir. Ich hasse Plastiktüten. Aber ich sehe auch Hello Kitty und Plastikblumen. Die liebe ich. Aber darf ich das überhaupt?
Diese Überlegung erschien mir im Winter 2012 ein guter Einstieg in das Thema „Plastikfrei und Spaß dabei“ zu sein. Heute ist das Thema aktueller denn je, da gerade über eine EU-weite Steuer über Plastiktüten, oder deren gänzliches Verbot nachgedacht wird.

Plastik zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Vermutlich durch jedermanns Leben. Wahrscheinlich ist das das Problem …
„Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht bereits aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal mit Plastikfolie einzupacken“, habe ich „Plastic Planet“ entnommen. Das hört sich nicht gut an. Was in Plastikfolie eingewickelt ist, erstickt letztlich daran.

In meinem Highschool-Jahr in Amerika wurde ich bei jedem Einkauf im Supermarkt mit der Frage „Paper or Plastic?“ konfrontiert. Die freundlichen Mitarbeiter hinter der Kasse packten die Einkäufe dann in die entsprechende Tüte.
Später in Deutschland arbeitete ich in den Schulferien in einer ortsansässigen Plastikfabrik. Den Geruch des geschmolzenen Granulats habe ich bis heute in der Nase und fühle noch die maschinenwarmen Plastikflaschen, die wir bei 40 Grad in der Halle im Akkord in Kartons verpackten.
Plastik, Plastik, überall Plastik.
Bei meinem Praktikum im Fotostudio erfuhr ich dann, dass „Plastik“ ein böses Wort ist. Sage niemals „Plastikrahmen“, wenn Du einem Kunden einen Kunststoffrahmen für sein Bild verkaufen möchtest. Plastik ist billig. Kunststoff ist hochwertig!
Damals wusste ich natürlich schon, dass es eigentlich nicht um das Wort ging. Auch „Kunststoff“ konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Plastik an sich eben nicht nur billig ist, sondern auch böse.
Anfang 2011 sah ich eine Fotoserie des Amerikaners Chris Jordan. Er fotografiert die Wegwerfprodukte der amerikanischen Gesellschaft und hatte einige Aufnahmen von jungen Albatrossen gemacht, die von ihren Vogeleltern mit Plastikmüll gefüttert werden und letztlich verhungern, weil ihr ganzer Leib mit Plastik gefüllt ist. Ein höchst bizarr anmutendes, zutiefst trauriges Ergebnis unserer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft.
Wieso warnt ihr Instinkt sie nicht, habe ich mich gefragt. Und habe vermutet, dass nur Albatrosse so naiv sind, auf die bunte Verlockung hereinzufallen. Leider sollte ich mich täuschen.

267 Meerestierarten gefährdet

Als Folge der Verschmutzung der Meere mit Plastikabfall gehen nicht nur Albatrosse, sondern auch Schildkröten, Fische und Krebse daran zu Grunde. 267 Tierarten fallen dem Müll zum Opfer. Jährlich verenden rund 100.000 Tiere an Müll aus dem Wasser.
Laut einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) treiben bis zu 18.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer der Weltozeane. Denn rund 80 % des Plastikmülls  – die UNO spricht von insgesamt weltweit jährlich rund 6 Millionen Tonnen – gelangen über Flüsse in die Ozeane. Die Meeresschutzorganisation Oceana schätzt, dass weltweit jede Stunde rund 675 Tonnen Müll direkt ins Meer geworfen werden, die Hälfte davon ist aus Plastik.

Giftstoffspeicher Plastik„sand“

Der „Sand“ an den Stränden besteht inzwischen zum Teil nicht mehr aus Stein, sondern aus Kunststoff. Gefährlich daran ist, dass der Plastik-Sand Giftstoffe viel stärker anzieht als natürliches Material. Diese gelangen in die Fische und diese wiederum in die Nahrungskette des Menschen. Letztlich nehmen also auch wir den Plastikmüll wieder zu uns, wenn auch nicht in so großen Stücken wie die Albatrosse.
Der Müll, der bereits in den Ozeanen treibt, kann nicht mehr aufgehalten werden. Wir können aber immerhin dazu beitragen, nicht mehr so viel Müll zu produzieren.
Vor über 20 Jahren, bei meinem Highschoolaufenthalt in den USA wusste man dort noch nichts von Müllvermeidung. Dass man die Einkäufe weder in Plastic noch in Paper verpacken sollte, war den Menschen noch fremd. Lehnte man eine solche Verpackung ab, weil man seine eigene Tasche dabeihatte, waren die Mitarbeiter des Marktes so verwirrt, dass die Geschäftsführung herbeigerufen werden musste. Meine Mutter hat es dann bei dem einen Versuch belassen.

Inzwischen findet in den USA wie auch in vielen anderen Ländern ein Umdenken statt, um Müllberge und vor allem Plastikmüll zu reduzieren. 2007 hat San Francisco hat als ers-te amerikanische Stadt alle Plastiktüten aus ihren Supermärkten verbannt, nachdem zuletzt 180 Millionen Plastiktüten pro Jahr verteilt wurden.
Dass dabei nicht nur auf Mehrwegbeutel, sondern immer noch auch auf Papiertüten gesetzt werden soll, ist laut Umweltschützern aber nach wie vor problematisch.
Seit ca. 2000 dämmen viele Länder gerade den exzessiven Verbrauch von Plastiktüten ein.
In Bangladesch sind die Tüten seit 2000 verboten, vor allem weil sie bei Monsunregen die Abwasserkanäle verstopften und das Überschwemmungsrisiko erhöhten.
Auch die EU-Kommission erwägt seit 2011 ein Verbot von Plastiktüten. Derzeit liegt der Tüten-pro-Kopf-Verbrauch noch bei 500 Tüten pro Jahr und EU-Bürger!

Aber was kann denn nun jeder selber tun, um Plastikmüll zu vermeiden, solange dies nicht staatlich geregelt ist? Schon der Blick in die Supermarktregale ist haarsträubend. Eingeschweißte Bio-Gurken neben eingeschweißten Bio-Bananen. Neben den Möhren direkt der kos-tenlose Beutelspender, um das Obst abzupacken.

Bio drin. Plastik drum.

Warum Plastik drum, wo Bio drin ist? Bringt nicht das meiste Obst und Gemüse in Form seiner Schale die Verpackung gleich mit? Hier fällt es leicht, immer zu unverpackten Waren zu greifen.
Aber wo und wie geht es weiter?
In Aachen entsteht derzeit das „Ewigkeitsbüro“, bei dem sich Schauspieler des Theaters und Einwohner Aachens mit einem möglichst CO2-armen Leben auseinandersetzen. Das Projekt „Plastikfrei und Spaß dabei“ steckt aber derzeit noch in Kinderschuhen und ein Blick auf die Website bietet wenig umsetzbare Anregungen.

Familie Krautwaschl aus Graz ist da schon einen gigantischen Schritt weiter. Nachdem sie 2010 den Dokumentarfilm „Plastic Planet“ von Regisseur Werner Boote gesehen haben, beschließen Sandra Krautwaschl, ihr Mann und die drei Kinder sofort, aus ihrem Leben ein Experiment zu machen und auf Plastik weitestgehend zu verzichten. Was als Projekt für einen Monat ausgelegt war, lebt und dokumentiert die Familie nun seit fast 2 Jahren. Entstanden ist ein prall gefüllter Blog mit Tipps von „Weihnachten und Silvester ohne Plastik“ über „Küche ohne Plastik“ bis „Schulkind ohne Plastik“. Die ein oder andere Story – wie der plastikfreie Silvesteraufenthalt auf der Almhütte – ist schon ziemlich extrem und erfordert sehr viel Idealismus und auch Planungszeit, interessant sind die Ausführungen aber allemal und mit dem ein oder anderen Tipp fällt es nicht schwer, direkt loszulegen.

Krautwaschl-Tochter Marlene (10) drückt es bei einem Kurzinterview so aus: Es geht um den möglichst plastikreduzierten Einkauf, der durchaus seine Tücken hat. Ihrem siebenjährigen Bruder möchte sie seine Plastikburg trotzdem nicht entreißen. Vermutlich wäre dies auch nicht nur Spaßkiller, sondern auch kontraproduktiv.

Übersetzt heißt das für mich: Was man schon hat, kann oder sollte! man behalten – oder weitergeben. Aber so wenig wie möglich neues Plastik dazukaufen. Oder mit den Worten von Plastic-Planet Macher Boote: „reduce, re-use, recycle!“

Artikel aus KingKalli 49 (Dezember/Januar 2013)

Fakten

Herstellung
Die drei größten Einsatzgebiete für Kunststoffe sind:
Verpackungen (33 Prozent), Bauwesen (25 Prozent), Elektronik, Elektrotechnik (25 Prozent)

Recycling
Nur geringe Mengen der Kunststoffabfälle werden recycelt. Zum Beispiel: Von den jährlich erzeugten 14 Millionen Tonnen Styropor wird nur ein Prozent recycelt.

Gift-Magnet
Wissenschaftler vermuten, dass Plastikmüll im Meer gefährliche Umweltgifte wie DDT oder PCB wie „ein Schwamm aufsaugt“. Forscher der Universität Tokio haben an der Oberfläche von Plastikkörnern bis zu eine Million mal höhere Giftkonzentrationen als im umgebenden Wasser gefunden.

Plastiktüten
Rund 380 Milliarden Plastiktüten werden jährlich in den USA benutzt. Das sind mehr als 1.200 Tüten pro US-Einwohner und Jahr.
Einkaufstaschen machen etwa 100 Milliarden der 380 Milliarden Plastiktüten aus.
Ungefähr 12 Millionen Barrel Öl sind nötig, um so viele Plastiktüten herzustellen.

Links

www.plastic-planet.de
Im Film PLASTIC PLANET sucht Regisseur Werner Boote, dessen eigener Großvater ein Pionier der Plastikindustrie war, weltweit nach Antworten und deckt erstaunliche Fakten und unglaubliche Zusammenhänge auf. Er stellt Fragen, die uns alle angehen: Schadet Plastik unserer Gesundheit? Wer ist verantwortlich für die Müllberge in Wüsten und Meeren? Wer gewinnt dabei? Wer verliert?
PLASTIC PLANET ist ein unterhaltsamer und investigativer Film, der zeigt, dass Plastik zu einer Bedrohung für Mensch und Umwelt geworden ist.

DAS BUCH ZUM FILM liefert Fakten, Hintergründe und Zusammenhänge zu den Filmbildern. Und weil es gilt, einen Ausweg zu finden, stellen Gerhard Pretting und Werner Boote abschließend verschiedene Lösungsansätze für eine zu entgiftende Umwelt vor.

Gerhard Pretting / Werner Boote: PLASTIC PLANET – Die dunkle Seite der Kunststoffe | 224 Seiten, Klappenbroschur, mit 32 Fotoseiten, 20,– Euro

www.keinheimfuerplastik.at
Familie Krautwaschls Site dokumentiert ihr Leben ohne Plastik.

www.zeit.de/wirtschaft/2011-01/fs-growth-chris-jordan
Fotos der an Müll verendeten Albatrosse

www.chrisjordan.com
Site von Chris Jordan

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One response to “„Paper or Plastic?“

  1. Um zur Ausgangsfrage zu kommen: Beides ist nicht ideal. Plastik noch weniger. Es gibt viele natürliche Alternativen aus Maisstärke und ich denke, dass uns der Trend dort auch dauerhaft hinbringt. Eine gute Sache, doch dafür ist noch viel Sensibilisierungsarbeit notwendig. Die Unternehmen sind dort in der Verantwortung, auch wenn Plastik aktuell deutlich billiger ist.

    Freundliche Grüße
    Christoph

    (PS.: Hier unten ist noch ein Fehler bei der Kommentarabgabe (Span-Schutz) :)