„Ich hoffe und werde immer hoffen“

in Aktuelles um die Ecke, Familienleben

Die Geschichte von Niloufar und ihren Söhnen steht für die Geschichte vieler Familien, die sich auf dem Weg in die Zukunft trennen mussten und nicht glücklich wieder vereint sind.
Niloufar wohnt in Deutschland. Sie wollte für ihre Söhne in ein Land, wo sie glücklich in Freiheit würden leben können. Den Weg musste sie zuerst alleine mit ihrem jüngeren Sohn antreten. Ins Visier der Öffentlichkeit geriet die Familie unfreiwillig, als Flug MH370 im März 2014 verschwand. Der 19-jährige Pouria geriet in Verdacht, etwas damit zu tun zu haben, da er sich mit einem gestohlenen Pass an Bord der Maschine befand. Wie sich herausstellte, hatte der junge Iraner den Pass gekauft und befand sich auf dem Weg zu seiner Mutter. In Deutschland wollte er um Asyl bitten, um ein neues Leben anzufangen.
Als er es bis zur ersten Station seiner Reise nach Malaysia geschafft hatte, war er aufgeregt und glücklich.
Pouria ist wie die anderen Passagiere bis heute verschollen.
Birgit Franchy sprach mit seiner Mutter, das Gespräch wurde aus dem Englischen übersetzt.

Niloufar, erzähl uns ein bisschen über das Leben im Iran.
Über mein Land zu reden ist mit Angst verbunden, trotzdem fühlt man sich immer schuldig. Dort musst du aufpassen, was du sagst, und auch was du denkst. Du kannst nicht wählen, wie du leben willst, speziell als Frau hast du keinerlei Rechte.

Wieso hast du dich entschieden, mit deinen Söhnen wegzugehen und wie fanden sie das?
2010 hatte ich Krebs, das war ein Schock für mich, ich habe es niemandem gesagt, nicht mal meiner Mutter. Aber damals änderte sich meine Einstellung. Ich verstand, dass das Leben ein Geschenk von Gott ist und du es nur einmal nutzen kannst. In meinem Land gibt es so viele Probleme, du musst viele Sachen beteuern, an die du nicht glaubst, und ich wusste, dass ich die Wahl habe, die Gott mir gegeben hat, also dachte ich über die Immigration in ein Land nach, wo ich meinen Lebensstil würde frei wählen könnten.

Warum konnten nicht beide Söhne mitkommen und wo blieb Pouria? Wer wusste von den Plänen? Konntet ihr kommunizieren?
Ich kam 2012 nach Deutschland und Pouria war der Einzige, der von den Plänen wusste. Er war traurig, aber hat es akzeptiert, dass ich zuerst gehen muss. Die Agentur, die unsere Ausreise vorbereitete, sagte mir, dass ich Pouria, meinen Erstgeborenen, nicht mitnehmen könne, da er 17 sei und mit 18 zum Militär müsse. Man hätte mir kein Visum erteilt, weil die Botschaft gedacht hätte, ich würde nicht zurückkommen.
Also konnte ich nur meinen zweiten Sohn mitnehmen.
Pouria blieb bei seinem Vater. Wir telefonierten oft oder hatten über Facebook Kontakt.
Es war sehr schwer für mich, Pouria und meine Mutter zurückzulassen, aber wir hatten keine andere Chance.

Wie habt ihr euch hier eingelebt?
Ich hatte zuerst Angst. Aber ich wusste, dass ich gute Gründe hatte, den Iran zu verlassen.
Ich wusste auch, dass ich hier Probleme haben würde. Zuerst mit der Sprache. Ich fühlte mich wie ein Analphabet, ich konnte nichts verstehen, was die Menschen sprechen, ich konnte nicht mal die Straßennamen entziffern. Das Wetter war so anders und das Essen … alles. Aber hier in Deutschland haben die Menschen Respekt. Sogar bei Ausländern!

Wie erging es deinem jüngeren Sohn?
Für ihn war plötzlich alles anders! Er hatte ja gedacht, wir schauen uns einmal Europa an.
Aber er lernte so schnell Deutsch und fand viele Freunde und spielt Fußball im Verein, was er sehr liebt!

Hast du in Deutschland Hilfe bekommen?
Ja, wir bekommen Hilfe, weil ich ja kein Deutsch spreche. Aber es ist meine Schuld und jetzt lerne ich Deutsch.

Wie lang hat es gedauert, bis Pouria nachkommen konnte?
2014 war es so weit. Zwei oder drei Monate bevor es losging, hatte er alles vorbereitet. Er hat alles alleine gemacht und niemandem etwas gesagt. Ich habe nichts von hier aus gemacht. Natürlich bekam er dafür Geld von mir.

War es schwer, den Pass zu bekommen?
Er hatte einen Pass, aber mit einem iranischen Pass kannst du nirgends hin, gerade nicht, wenn du 19 bist und den Militärdienst noch nicht abgeschlossen hast.
Pouria studierte inzwischen und musste der Regierung Geld bezahlen, damit er ins Ausland durfte.
15.000.000 Tomans, das sind fast 4.000 Euro, und du bekommst sie nicht zurück, wenn du gehst.

Wie habt ihr euch gefühlt, als seine Reise losging?
Pouria war sehr unglücklich im Iran.
Ich sah die Fotos vom Beginn seiner Reise hierher. Auf den Fotos in Malaysia sah ich ihn nach vielen Jahren lächeln. Er dachte, jetzt ist es endlich soweit und er kann neu anfangen, er kann frei und glücklich sein.

Was waren seine Pläne für die Zukunft?
Er wollte studieren und arbeiten und mit uns zusammen sein. Und seine Freundin holen und sie wollten heiraten.

Wie ist es für dich, dass er vermisst wird?
Ich glaube nicht, dass ich ihn verloren habe. Ich hoffe, ihn wiederzusehen. Ich denke, da ist etwas falsch an dieser Tragödie, jemand lügt.
Wie können sie verschwunden sein und es gibt keine Trümmer?

Was möchtest du über Pouria sagen?
Er ist so liebenswürdig, freundlich, er ist nicht nur mein Sohn, sondern auch mein Freund und er liebt das Leben. Er liebt Hunde, er liebt mich und seinen Bruder. Ich hoffe, ich sehe ihn wieder.
Diese Ungewissheit bringt die Familien um, die Familienmitglieder vermissen. Wir wollen die Wahrheit wissen, wir geben niemals auf, es ist doch unser Recht, zu erfahren, was passiert ist.
Ich bin eine Mutter, wie könnte ich jemals aufgeben, wie könnte ich meinen Sohn vergessen?
Ich hoffe und werde immer hoffen.

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