Paris hätte der glücklichste aller Ehemänner werden können, doch Romeo stieg in den Capulet’schen Garten und Julia war für immerfort. Aber wen interessiert schon Paris, nach wenigen Zeilen ist der Verschmähte vergessen, das Bangen und die Tränen gelten fortan dem tragischen Liebespaar. Jetzt steht er da, verloren und wütend, klagt an, stellt Fragen, genau wie all die anderen Suchenden dieser vor Energie nur so strotzenden Gang, doch die Antworten bleiben aus. Denn das Leben sitzt ihnen in den Nacken, schwer zu ertragen und noch schwerer abzuschütteln.
Zwölf Jugendliche haben unter der Regie von Simon Rußig und Hannes Schumacher eine eigen- und einzigartige Interpretation der klassischen Liebesgeschichte auf die Bühne gebracht. Unser Nachwuchs, unsere Zukunft und unsere Hoffnung bombardiert uns mit ihren Problemen, die auch unsere sind, beschuldigt uns der Fahrlässigkeit, verpönt uns unserer Blindheit wegen. Dabei gäbe es so viel zu sehen. All die Liebe, die sie geben können, all der Zweifel, den sie hegen, all die Gedanken um Leben und Tod, die uns beschämen weil wir sie in der Mühle des Lebens längst zerrieben haben.
Uns, die Eltern, uns, die Gesellschaft, uns, den Rest der Welt, der zu beschäftigt ist, sie wahr zu nehmen.
Maike Beißner, Maja Brendel, Lara Dönges, Lena Fisch, Julia Gregori, Zoé Krey, Florentine Kirchhof, Lina Nordhausen, Lina Wichert, Ahmad Ghorbani, Tim Münster und Andree Thumm spielen mit einer entfesselten Leidenschaft, sie wirken kraftvoll und zerbrechlich zugleich, ihre Energie überspannt nach den ersten Minuten den Raum und lässt den Zuschauer bis zur Letzt nicht aus ihrem Bann.
Die Gang ist ja auch in guten Händen. Hannes Schumacher und Simon Rußig sind anscheinend nicht nur großartige Schauspieler, die hoffentlich noch lange der Aachener Bühne erhalten bleiben werden, sondern auch hervorragende Vermittler. Das bemerkenswerte Konzept und die dynamischen Texte entstanden in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern.
Die Arbeit mit den Kids begann im Januar. Auf die Lektüre von „Romeo und Julia“ folgte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema. Nach den ersten Textfragmenten der Teilnehmer brach Phase der Improvisation an, in der sich die Struktur der Stückes herauskristallisierte. Seit April wurde einmal wöchentlich geprobt, in der heißen Phase vor der Premiere täglich. Ein Kraftakt, der mit gebührendem Applaus belohnt wurde.
Ich verbeuge mich tief vor dieser Truppe, die mir wieder vor Augen geführt, was Theater eigentlich bedeutet: pure Passion!
Text: Enikö Kümmel
Foto: Jörg Müller
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Eine Produktion des U21-Jugendclubs
Theater Aachen – Mörgens
Inszenierung: Simon Rußig, Hannes Schumacher
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