Ein halbes Jahr Dreadlocks

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Dreadlocks – eine Frisur und die oft damit verbundene Lebenseinstellung, die lange nicht akzeptiert wurde in unserer Gesellschaft. Jede Menge Klischees haben sich im Laufe der Jahre entwickelt. Man wird von vielen leider immer noch direkt abgestempelt: Leute mit Dreadlocks seien unhygienisch und wüschen ihre Haare nicht, sie kifften, liefen gerne barfuß, seien Vegetarier und wollten die Welt retten – sagt man so. Wie jede andere Frisur auch sind Dreadlocks eine Art, sich auszudrücken. Egal, ob man es einfach nur schön findet, sich von der Gesellschaft abgrenzen möchte, sich einem gewissen Lifestyle anpassen möchte, einen bestimmten Hintergrund vertritt oder was auch immer der Grund für diese Frisur ist – die Lebenseinstellung dahinter ist immer ganz individuell.

Dreads sind nichts zum Fürchten

Der Begriff Dreadlocks könnte das entstandene Klischee wohl etwas erklären. „Locks“ bedeutet „Locken“, aber „dread“ heißt übersetzt so viel wie „Schrecken“ oder „Furcht“. Kein Wunder also, dass man bei diesem Begriff erstmal an nichts Schönes denkt. Dreadlocks haben eine weit zurückreichende Geschichte Eine genaue Entstehungszeit oder den Entstehungsort von Dreadlocks kann man nicht festlegen, denn diese Frisur kam in ganz verschiedenen Ländern und Kulturen, in unterschiedlichen Zeitaltern und aus den verschiedensten Gründen immer wieder vor.

Eine Frisur zwischen den Kulturen und Glaubensrichtungen

Bei den Azteken in Mittelamerika war diese verfilzte Frisur beispielsweise ein Zeichen des Priesterstandes. Auch im Hinduismus ließ man seine Haare verfilzen als  Zeichen seiner Treue zur Religion. Und sogar im Islam werden Dreadlocks als eine Art Tradition getragen, dabei ist es untersagt, den Filzprozess selbst zu beeinflussen. Die heutige Verbreitung der Frisur hat ihren Ursprung bei den Rastafari – einer Glaubensrichtung, die an das Göttliche in jedem und im Irdischen glaubt. Der Grund für die verfilzten Haare ist hier wieder ein anderer: Es wurde daran geglaubt, dass diese Haare einem Stärke und Macht geben. Anfang der 70er Jahre kam die indische Hippieszene mit der Dreadlock-Frisur in Kontakt und bis heute ist diese Frisur in diesem Kulturkreis sehr stark verbreitet und eine Art Markenzeichen. Wie man sieht, hatten Dreadlocks damals wie heute ganz verschiedene Bedeutungen, und man kann die Träger dieser Haare und die Menschen, die dahinterstecken, nicht alle über einen Kamm scheren.

Eine ganz persönliche Entscheidung

Ich selbst habe mir im März dieses Jahres Dreads machen lassen. Die Entscheidung dafür hat sich rückblickend doch über einige Jahre hingezogen. Immer wieder war ich fasziniert von diesen Haaren, doch damals arbeitete ich noch in der Hotellerie, wo die Frisur nicht akzeptiert war. Deshalb schob ich die Idee ganz schnell wieder in irgendeine hintere Schublade. Doch irgendwann Anfang des Jahres, als ich nicht mehr im Hotel arbeitete, kam mir der Gedanke: „Eigentlich könnte ich mir jetzt Dreadlocks machen lassen.“ Gefühlt einhundert Blogs und tausend Videos über Dreads später wurde ich mir immer sicherer. Zumal man die Dreads zur Not und mit ein wenig Geduld wieder aufkämmen kann und man sich, entgegen allen Vorstellungen, keine Glatze rasieren muss. Ich zeigte meiner Familie und meinen Freunden Bilder von Leuten mit Dreads und fragte, wie sie es finden würden, wenn ich mir welche machen ließe.

Meine Freunde haben mich unterstützt

Die Reaktionen waren unterschiedlich. Von „Ja, ich find es cool, mach das“ über „Deine schönen Haare, mach das nicht“ bis hin zu „Bist du wahnsinnig?“ war alles dabei. Aber die meisten fanden es cool, würden es sich jedoch selbst nicht trauen. Mein Freund stand auch voll und ganz hinter mir und sagte, ich solle es machen, wenn ich es möchte, denn er finde mich immer schön, egal mit welcher Frisur.

Wer macht einem einen Dreadhead?

Irgendwann im Februar suchte ich nach Möglichkeiten, mir Dreadlocks machen zu lassen. Es gibt eigentlich nur zwei Wege: Entweder du gehst zu denen, die das professionell anbieten, wie beispielsweise die Dreadfactory, oder du suchst dir Leute, die das privat anbieten. Ich wollte es anfangs unbedingt professionell machen lassen, doch die lange Wartezeit und der unfassbar hohe Preis (da ist man schnell mal bei 400 Euro) ließen mich dann doch nach einer Privatperson suchen. Hierzu muss ich sagen, wenn man das Geld hat und vor allem noch etwas Geduld, dann ist sicherlich nichts falsch daran, sich an die Leute von der Dreadfactory oder ähnlichen Dreadstylisten zu wenden. Man kann sich die Person, die die Dreads erstellt, selbst aussuchen und alle Fragen im Voraus klären. Oder man möchte etwas weniger zahlen und sucht sich zum Beispiel bei eBay-Kleinanzeigen Leute, die eine Dreaderstellung anbieten, so habe ich es gemacht. Schnell fand ich ein Mädchen aus Bielefeld, die das anbot. Auch hier konnte ich im Voraus alle möglichen Fragen stellen, und sie schickte mir jede Menge Bilder von Dreads, die sie gemacht hat. Das überzeugte mich und der Termin war schnell vereinbart.

Sechs Wochen Wartezeit bis zum Termin – eine Qual

Bis dahin waren es dann noch sechs Wochen. Noch sechs Wochen mit „normalen“ Haaren. Während die Wochen vergingen, schwankten meine Gefühle immer wieder von „Ich freue mich riesig und kann es kaum abwarten“ bis hin zu „Soll ich das wirklich machen, was ist, wenn es nicht gut aussieht oder ich damit nicht zurechtkomme?“. Auf jeden Zweifel folgte aber immer wieder der Gedanke: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Ende März war es dann so weit und das Mädchen kam sogar zu mir nach Aachen. An dem Tag war ich noch unschlüssiger als vorher, aber es gab kein Zurück mehr. Ich lud noch eine Freundin ein und wir hatten einen langen Tag vor uns. Erstmal mussten meine Haare eingeteilt werden und ich musste mich entscheiden, welches Muster ich auf dem Kopf haben wollte. Dann ging es los. Meine ersten Strähnen wurden mit Hilfe der Strähnchenmethode verfilzt und gehäkelt, bis irgendwann ein Dread entstand. Das ging den ganzen Tag so, aber wir hatten genug zu erzählen. Auch zwischendrin gab es noch Momente, wo ich mich fragte, was ich hier tue, aber ich schätze, das ist normal. Es ist schließlich eine große Veränderung.

Zwölf Stunden für meine neue Mähne

Ich musste sage und schreibe zehn Stunden still sitzen an dem Tag, denn ich bekam an meine eigenen Dreads noch Dreadverlängerungen aus Echthaar-Extensions drangehäkelt, da mir meine Haare noch nicht lang genug waren. Am Abend waren wir fast fertig, einige Dreadverlängerungen fehlten noch, aber das machten wir am nächsten Morgen. Es waren also insgesamt zwölf Stunden. Mein fertiger Dreadhead war für mich sehr ungewohnt, aber mir gefiel es. Ich hatte auf einmal so viel Haare auf dem Kopf und konnte mir einen richtig fetten Dutt machen. Normalerweise hab ich nämlich sehr dünnes Haar. Ich zahlte 180 Euro für die Dreaderstellung, was für den Arbeits- und Zeitaufwand ein sehr angemessener Preis ist. Die nächsten Tage musste ich mich an meine neue Frisur gewöhnen. Anfangs juckte die Kopfhaut ein wenig, aber das legte sich schnell. Haare waschen brauchte ich erst einmal nicht, denn Dreadlocks fetten nicht und anfangs ist die Gefahr sehr hoch, dass sie schnell wieder auseinandergehen. Auch an die ein oder anderen Blicke musste ich mich gewöhnen. Die Reaktionen von Freunden und Familie waren aber zum Glück positiv. Die meisten sagten, dass es gut aussehe und mir stehe. Ein Typ auf der Straße fragte mich einmal, ob ich etwas Gras dabei hätte – Klischee bestätigt und nein, hatte ich nicht. Im Großen und Ganzen waren die Reaktionen aber sehr gut. Ich habe das Gefühl, dass Dreadlocks heutzutage schon zu einer normalen Frisur geworden sind und man auch keine Probleme bei der Jobsuche hat.

Mögliche Probleme mit Dreads

Ich kam gut klar mit den Dreads, doch nach einem halben Jahr machte meine Kopfhaut immer wieder Probleme. Nicht nur, dass ich Schuppen bekam, was ich vorher noch nie hatte, sondern es hörte auch gar nicht mehr auf zu jucken. Dadurch wurde meine Kopfhaut immer röter. Ich habe alles Mögliche versucht, aber nichts half, es wurde eher schlimmer. Gut, wie die Kopfhaut darauf reagieren könnte, darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht und man weiß es ja sowieso erst, wenn man es probiert hat. Ich habe ein paar Wochen mit mir gehadert, weil ich sie gerne dringelassen hätte, doch es nützte nichts. Natürlich wird die Kopfhaut stark gereizt, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Aber wenn es zu schlimm ist, dann hat man auch keinen Spaß mehr an den Dreads. Und Dreads pflegt man nun mal nicht mit Haarkuren und Spülung. Es blieb mir also nur das Aufkämmen übrig. Der Entschluss stand fest und drei Tage, ganz viel Haarkur und Unmengen an verlorenen Haaren später (jeweils drei Stunden am Tag haben eine Freundin und ich mühsam die Dreads aufgekämmt) hatte ich wieder normale Haare. Was für ein komisches Gefühl das war! Ich konnte mir wieder richtig die Haare waschen, mir durch die Haare gehen und die ganze Kopfhaut berühren. Meiner Kopfhaut hat das auf jeden Fall sehr gut getan, und die Probleme waren innerhalb von wenigen Tagen wieder weg: Die Spitzen waren natürlich sichtlich kaputt und mussten abgeschnitten werden, aber dann sahen meine Haare wieder normal aus. Hätte ich selbst nicht gedacht.

Zum Schluss noch ein paar Tipps

Ich bereue es keine Sekunde, mir Dreads gemacht haben zu lassen. Ich wollte es und fand es auch gut und ich habe alles in allem eine gute Erfahrung gemacht. Doch wenn wirklich Ein halbes Jahr Dreadlocks

irgendwann Probleme mit der Kopfhaut auftreten, sollte man sich überlegen, die Dreads wieder aufzumachen, denn dann ist es nicht mehr schön. Ich finde trotzdem, dass dieses Thema etwas mehr Aufmerksamkeit und Verständnis verdient. Allen, die sich ernsthaft überlegen, sich Dreadlocks machen zu lassen, egal ob männlich oder weiblich, lege ich folgende Tipps ans Herz:
1. Überlegt es euch sehr gut und fragt euch immer wieder, ob ihr das wirklich wollt! Schlaft darüber, sprecht mit Familie und Freunden. Seid euch im Klaren darüber, dass ihr viel Zeit investieren müsst, wenn ihr sie haben wollt, und auch, wenn ihr sie nicht mehr haben wollt. So schnell und einfach geht das nicht. Setzt euch vielleicht eine Deadline, das können Wochen oder auch einige Monate sein.
2. Informiert euch! Schaut euch jede Menge Videos an und lest in Blogs, um alles über Dreads, den Prozess, die Pflege und so weiter zu erfahren. Versucht, für euch selbst schon mal alle möglichen Fragen zu beantworten und schreibt es euch auf!
3. Sucht euch jemanden, der euch die Dreads erstellt – egal ob professionell oder privat – und klärt vorab alle Fragen und den Preis! Die Entscheidung, wen ihr letztendlich wählt, liegt ganz bei euch. Seid euch sicher!
4. Denkt daran: Auch Dreads bedeuten Arbeit und Pflege, denn man muss sie immer wieder nachhäkeln oder nachhäkeln lassen. Das wird oft unterschätzt. Die Zeit, die man beim Waschen und Kämmen einspart, kommt hier wieder drauf. Aber wenn ihr euch sicher seid und Dreads haben wollt, dann werdet ihr auch Freude daran haben, sie zu pflegen.

Hier noch einige Links zum Thema:
www.dreadfactory.de
www.dreadfactory.de/info/dreadlocks-selber-machen/
www.make-dreads.de

Foto // mel-d-fotografie.de / photocase.de

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One response to “Ein halbes Jahr Dreadlocks

  1. Mit Dreadlocks beschäftige ich mich nun schon seit einiger Zeit. Ob ich wirklich zu Dreads „wechseln“ möchte, weiß ich noch nicht, aber es juckt mich irgendwie, das mal auszuprobieren :D
    Dein Artikel hat mir jedenfalls ein wenig weitergeholfen!
    <3 Lisa