Kitaplatzvergabe: Auf die Plätze, fertig …?

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Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Wie klappt’s eigentlich mit der Betreuungsplatzvergabe in Aachen?

„Eltern sollten sich am besten mindestens sechs Monate vor dem geplanten Betreuungsbeginn um einen Kindertagesstättenplatz oder einen Platz in der Kindertagespflege bemühen. Zusätzlich sollten sie mehrere Möglichkeiten in Betracht ziehen und nicht nur eine Option verfolgen“, so lauten die Empfehlungen des Fachbereichs Kinder, Jugend und Schule der Stadt Aachen für Eltern, die auf der Suche nach einem Betreuungsplatz für ihr unter dreijähriges Kind sind. Zwar räumt die Stadtverwaltung ein, dass es bei der Vermittlung von Plätzen Engpässe gebe, was den gewünschten Betreuungsbeginn, den Ort und die Art der Betreuung angehe, aber man berate betroffene Eltern zu möglichen Alternativen – etwa andere Betreuungsformen. Könne der Wunschplatz nicht vermittelt werden, gebe es Beratung. Die Stadt hat eigens eine Betreuungshotline eingerichtet, an die sich Eltern wenden können, wenn es zeitlich eng wird. Klingt alles machbar, zumal Eltern nicht mehr nur über persönliche Anfragen freie Plätze in Kitas ermitteln können, sondern als zusätzliche Option das Kita-Portal für die Suche nutzen können. Das Portal verspricht eine bequeme Recherche nach offenen Plätzen und die problemlose Kontaktaufnahme zu geeigneten Einrichtungen über ein elektronisches Anmeldesystem. So weit die Theorie.

In der Praxis zeigen sich jedoch die Tücken des Systems. Für Eltern in Vierteln mit Betreuungsplatzengpässen geht es nicht um den Wunschplatz, sondern darum, überhaupt eine Betreuungsmöglichkeit zu finden: „Sechs Monate vor Betreuungsbeginn?!“, Paola Pilates winkt ab. „Meine Zwillinge sind im Dezember 2015 geboren. Ich habe sie drei Monate nach der Geburt bei allen Kitas im Umfeld angemeldet – und zwar für August 2017! Wir dachten, wenn wir uns so früh um Kitaplätze kümmern, wird das schon klappen, zumal in der Kita nebenan die U3-Betreuung massiv ausgebaut werden sollte. Tageseltern wollten wir eigentlich nicht. Bei der Anmeldung sagte man mir, die Bescheide kämen im März 2017. Da mir das zu spät war, weil ich meinem Arbeitgeber eine klare Rückmeldung geben muss, habe ich im Januar per Mail bei allen Kindergärten angefragt und von allen Absagen bekommen. Das bedeutet, dass eigentlich schon Monate vor den Bescheiden klar ist, ob die Kinder genommen werden. Wenn die Familien das dann auch sofort mitgeteilt bekämen, würden sie sich nicht bis März falsche Hoffnungen machen und könnten sich viel besser um Alternativen kümmern.“ Paola Pilates erweiterte daraufhin – etwa acht Monate vor dem geplanten Betreuungsbeginn – den Radius und versuchte, ihre Kinder auch in Kitas in weiter entfernten Stadtteilen auf die Wartelisten zu setzen. „Dort macht man mir aber wenig Hoffnung. Kinder aus dem Wohnumfeld würden bevorzugt, außerdem sei ich viel zu spät dran mit der Anmeldung. Ich solle mich mit dem zuständigen Sachbearbeiter bei der Stadt in Verbindung setzen. Den habe dann nach über einer Woche auch endlich erreicht. Seine Aussage: ‚Da können wir Ihnen nicht helfen. Wo Sie sich sonst noch melden können, weiß ich nicht.‘ Auch für meinen Verdienstausfall fühlte er sich nicht zuständig. ‚Da können wir nichts machen.‘“ Zähneknirschend fragt Paola Pilates inzwischen auch bei Tageseltern an, da sie in ihren Beruf als ambulante Betreuerin zurückkehren will und ihrem Chef rechtzeitig verbindlich Rückmeldung geben muss.  

Zwar bekommen viele Familien über die konventionelle Anmeldung oder das Kita-Portal ohne größere Schwierigkeiten einen der rund 2.900 U3-Betreuungsplätze, ein Einzelfall sind Paola Pilates und ihre Kinder dennoch nicht. Etliche weitere Eltern wandten sich frustriert an die KingKalli-Redaktion, weil sie sich von Behörden und Kitaleitungen alleingelassen fühlen. Vor allem die Planungsunsicherheit belastet die Familien. „Die Kitas sollen natürlich Absagen aussprechen bzw. verschicken, sobald sie die Entscheidung getroffen haben, einem Kind keinen Platz anbieten zu können“, heißt es von der Stadt. „Von hier aus werden alle Kitaleitungen über eine Arbeitsanweisung dazu angehalten.“ In der Praxis halten sich viele Anbieter aber nicht daran, so dass Eltern sich die Rückmeldungen mühsam selbst einholen müssen. Katharina Lintu durchläuft den Absagemarathon sogar schon zum zweiten Mal: Im Februar 2015 meldete sie ihren Sohn über das Kita-Portal bei fünf Kitas an, für August 2016, also eineinhalb Jahre vor dem Wunschtermin. Sie wurde bei allen Kitas persönlich vorstellig. Eine Rückmeldung, so die Kitaleitungen, könne sie aber erst im März 2016 erwarten. Um Planungssicherheit zu bekommen, telefonierte sie den Kitaleitungen aber bereits Anfang 2016 hinterher. Schließlich war klar: Es gibt keinen Platz für den Kleinen. Da sie inzwischen mit ihrem zweiten Kind in Mutterschutz war, entschloss sie sich, ihren Sohn noch ein weiteres Jahr zu Hause zu behalten. Sie meldete ihn aber vorsichtshalber bei acht Einrichtungen an, denn die Stadtbereichsleitung bei der Stadt hatte ihr erklärt, es gebe auch unterjährig immer mal freie Plätze. Aber Katharina Lintu holte sich wieder telefonisch von allen Kitas Absagen ab, auch von Einrichtungen, die im Kita-Portal für den fraglichen Zeitraum freie Plätze anboten. Im Kita-Portal werden heute, im Februar 2017, Lintus Anmeldungen für August 2016 immer noch als „in Bearbeitung“ angezeigt. Ihr Sohn ist zwischenzeitlich bei einer Tagesmutter untergekommen, das bringt Katharina Lintu aber auch nicht die erhoffte Planungssicherheit, da die Betreuung oft unerwartet wegen Krankheit ausfällt. Das Problem verschärft sich noch weiter, da der Sohn nun drei geworden ist, also aus der U3-Betreuung herausfällt, und sie für ihre Tochter auch noch keine Betreuungsplatzzusage hat. Nun sucht Katharina Lintu einen Kindergartenplatz für ihren Sohn und einen Kitaplatz für ihre Tochter – und hängt abermals in der Luft. Hatte man ihr vor eineinhalb Jahren noch gesagt, U3 sei ein Problem, aber eine Ü3-Betreuung werde sie in jedem Fall bekommen, erklärt man ihr jetzt das Gegenteil. Den Vorrang, den Geschwister in Betreuungseinrichtungen normalerweise haben, bekommt ihre Tochter nicht, da ihr Sohn ja schon keinen Platz hat. Auf die versprochene Rückmeldung durch die Fachbereichsleitung wartet sie seit Januar; beim Amt landet Katharina Lintu nur noch in endlosen Telefonwarteschleifen. Ein zügiger Wiedereinstieg ins Berufsleben, wie Katharina Lintu ihn sich wünscht, ist vor dem Hintergrund unmöglich.

Dass nicht alle angezeigten Plätze tatsächlich noch frei sind und der Bearbeitungsstatus nicht aktualisiert wird, ist aus der Sicht der befragten Eltern aber nicht das einzige Problem mit dem Kita-Portal. „Man soll die Kitas nach persönlicher Priorität von 1 bis 10 sortieren“, erklärt Jana Sender, die ihr Kind vor über einem Jahr bei zehn Kitas und verschiedenen Tagesmüttern angemeldet hat, „aber man sieht sich ja erst nach der Anmeldung über das Portal die Einrichtungen an. Ich weiß doch erst hinterher, welche Kita ich am besten finde! Ich hatte aus pragmatischen Gründen die nächstgelegene Kita auf Platz 1 gesetzt, habe dann aber beim Besuch gemerkt, dass die vom Konzept her am wenigsten zu uns passt. Ein weiteres Problem ist, dass ich für jede Einrichtung nur ein einziges Stundenkontingent angeben kann. Wenn eine Kita dann den letzten 45-Stunden-Platz an wen anders vergibt, werde ich nicht weiter berücksichtigt, obwohl ich zur Not vielleicht auch den 35-Stunden-Platz genommen hätte. Es ist also ein 50:50-Spiel.“ – „Es ist richtig, dass man nur eine Betreuungszeit auswählen kann. Es gibt aber ein Bemerkungsfeld, das von den Eltern gerne genutzt wird, um Alternativen zu der Betreuungszeit anzugeben“, hält die Stadt dagegen. „Das Feld Prioritäten ist kein Pflichtfeld und muss nicht ausgefüllt werden. Die Prioritäten können auch zu einem späteren Zeitpunkt der jeweiligen Kitaleitung mitgeteilt werden.“ Allerdings verfügen offensichtlich nicht alle Eltern über solches Insiderwissen in Sachen Kita-Portal-Hacks. Es lägen Äußerungen von Eltern vor, die das Kita-Portal sehr schätzten, erklärt die Stadt, räumt aber gleichzeitig ein, dass nicht alle gleich gut mit dem Portal zurechtkommen: „Es gibt Unterstützungsbedarf für manche Eltern in der Nutzung des Kita-Portals, die z. B. durch die Kitaleitungen erfolgt.“ Dass ausgerechnet die Kitaleitungen den Eltern durch die Schwierigkeiten im Online-System helfen, erscheint vor dem skizzierten Hintergrund allerdings weder wahrscheinlich, noch entspricht es dem Sinn eines Kita-Portals.

Die Betreuungsplatzhotline der Stadt Aachen: 0241 432-45252
Der Link zum Kita-Portal: www.kitas.aachen.de
Als Alternative das unabhängige Portal Juniko (Kosten: einmalig 19,95 Euro), das Eltern die
kompletten Formalia abnimmt: www.juniko.de
Weitere Infos: https://www.familienrecht.net/rechtsanspruch-kita

Ist eine Klage eine Option für euch?

Dann lest auch diesen aktuellen Artikel:
https://kingkalli.de/kitaplatzklage-eine-option-fuer-aachener-familien/

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8 responses to “Kitaplatzvergabe: Auf die Plätze, fertig …?

  1. “ Zähneknirschend fragt Paola Pilates inzwischen auch bei Tageseltern an … “ so eine Aussage macht mich beinahe sprachlos.
    Lange vor den Kindergärten gab es Tagesmütter und -väter, die Tageskinder fürsorglich und flexibel betreuten. Erst nachdem 3 Jahre Erziehungszeit in nur 1 bis 2 Jahre Elternzeit umgewandelt wurden, benötigt man U3-Plätze in Einrichtungen und degradiert Tageseltern zu Notnägeln.

    1. Liebe Melanie, es gibt immer Eltern die lieber Tageseltern wählen und es gibt Eltern, die lieber Kitas wählen. Beides hat seine Berechtigung und sollte nicht in Frage gestellt werden. Ich persönlich habe für mein Kind als es klein war auch eine Tagesmutter gewählt, aber ich kann gut akzeptieren, dass andere Eltern das anders sehen. Das sollte man ihnen zugestehen und es sollten doch Plätze angeboten werden. Aber diese Eltern haben eben vom Jugendamt auch noch keine Unterstützung bekommen. Darum geht es doch!
      Liebe Grüße, Birgit Franchy / KingKalli

  2. Das System in Aachen ist leider alles andere als durchdacht. Viele (alle) Eltern melden ihre Kinder in zig verschiedenen Kitas an. Und wie man auch im Artikel lesen kann, werden die Kinder erst angemeldet und dann wird erst geguckt, ob die Kitas denn überhaupt gefallen. Einige Familien bekommen dann Zusagen von mehreren Kitas und sagen die anderen Plätze nicht rechtzeitig ab, sodass nicht schnell genug nachbesetzt werden kann. Das ist ärgerlich für die anderen Familen aber auch für die Kitas selbst…

  3. Wir haben mittlerweile für beide Kinder eine Zusage bekommen, ab August sind beide in einer Kita, mit 35 Stunden leider nur. Aber ich bin froh. Bis dahin ist mein Grosser 3,5 und ich bin froh, das er bei der Tagesmutter dann raus ist. Das ist kein Angriff auf Tagesmütter, aber wenn er da alleine mit viel kleineren Kindern ist, ist da ja auch nicht toll für ihn.

    1. Hey Katharina, toll, dass es noch geklappt hat! Und da hast du natürlich vollkommen recht, die Altersstruktur muss auch passen!
      Schöne Grüße, Birgit / KingKalli

  4. Das Aachener System ist eine Zumutung. Die Angaben, ob Kitaplätze im gewünschten Zeitraum frei seien, werden fast nie aktualisiert und die Absagen über das Portal kommen erst nach dem gewünschten Starttermin (ca. ein jahr nach Anmeldung). Fragt man persönlich bei den Kitas nach, erhält man umgehend absagen. Es ist also schon lange klar, dass das Kind nicht genommen wird, aber wozu den Eltern eine Rückmeldung geben? Wir sind deshalb aus Aachen weggezogen. Ich finde, es sollte auch berücksichtig werden, wie flexibel sich die Eltern zeigen. Wir haben auch Kitas in den Aachener Außenbezirken (z.B. Oberforstbach) angeschrieben. Aber dort werden die Kinder aus dem nahen Umfeld bevorzugt. Dadurch kann es sein, dass Eltern mit nur einer Anmeldung Erfolg haben und andere über 20 Anmeldungen absenden, aber keinen Platz für ihr Kind erhalten.

    1. Hallo Donald, vielen Dank für diese interessante Rückmeldung! Wir hören so etwas öfters. Das Kitaportal scheint nicht gut zu funktionieren. Wo wohnt ihr jetzt? Hat es besser geklappt?
      Viele Grüße, Birgit Franchy / KingKalli